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Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0033
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in cler naturwissenschaftlichen Medizin

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Daß ein Teil der pathologischen und pharmakologischen Er-
fahrungen nicht zurückzuführen ist auf die bisher bekannten bio-
logischen Grundbegriffe, lehrt die einfache Erfahrung. Es gibt
Krankheiten, die sich auffassen lassen als Versagen der koordinier-
ten Selbsterhaltung, oder die entstehen durch die gestörte Einheit
von Umwelt, Funktion und Struktur, aber es gibt andere, die zur
Zeit nur durch Betrachtung der isolierten Schädigung von Organen
und Funktionen oder durch Auffindung der Krankheitsursachen
zu begreifen und zu behandeln sind.
So geht auch fast der gesamte moderne Arzneischatz auf eine
grundlegende Entdeckung zurück, die, soweit wir heute sehen
können, wenig oder nichts mit den bekannten biologischen Grund-
begriffen zu tun hat: Auf die Erkenntnis nämlich, daß, unter
gewissen Voraussetzungen, jeder pathologische Vorgang und jede
physiologische Funktion auf spezifische chemische Stoffe anspricht,
die nicht biologischer Herkunft sind. In dieser Richtung haben
wir noch zusätzliche biologische Erkenntnisse zu erwarten, die uns
ein besseres Verständnis bestimmter Krankheiten und Arzneistoffe
vermitteln werden.
Es soll nun das biologische Denken in der Pharmakologie an
wenigen Beispielen verdeutlicht werden, von denen jedes eine
zusätzliche Belehrung enthält.
Adrenalin führt bekanntlich bei intravenöser Injektion zu einer
Reizung der sympathischen Nervenendigungen. Nebeneinander
pflegt man zu registrieren: Beschleunigung des Herzens, Blut-
drucksteigerung, verstärkte Tätigkeit der willkürlichen Muskulatur,
Erweiterung der Bronchiolen, Erweiterung der Pupille, Stillstellen
der Darmtätigkeit, lauter Dinge, die lange Zeit zusammenhanglos
ohne sinnvolle Ordnung dastanden.
Sie sind das Rohmaterial für die biologische Erklärungsweise.
Diese sehen wir in der Cannon sehen Belastungstheorie, die in
der Adrenalinausschüttung der Nebennieren einen Hilfsmechanis-
mus erblickt, um den Körper zu plötzlichen Energieleistungen zu
befähigen.
Eine solche biologische Theorie wird ebenso wie die mechani-
schen Theorien durch Beobachtung und Messung der wissen-
schaftlichen Beweisführung zugängig. Dadurch erst wird sie ein-
gefügt in das Gebäude der Wissenschaft.
Als weiteres Beispiel sei die Narkose angeführt. Nach neuerer
 
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