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Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0040
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Fritz Eichholtz: Der biologische Gedanke

mit großen Erfahrungen, auch nach hohen Dosen keine Verän-
derung im weißen Blutbild feststellten. Nach Schittenhelm sind
solche Fälle nicht nur überempfindlich gegen Pyramidon, sondern
gleichzeitig gegen andere Medikamente, und gerade im Hinblick
auf die Gefahr der Agranulocytose tritt dieser Autor ganz allgemein
für das Sparen von Medikamenten ein. In all diesen Beispielen,
denen man leicht weitere anfügen könnte, handelt es sich um
schwere Giftwirkungen, deren Möglichkeit trotz jahrzehntelanger An-
wendung nicht erkannt worden war.
Fassen wir die gesamten Erfahrungen zusammen, über die im
Vorstehenden berichtet wurde, so kann man daraus immer wieder
den gleichen Schluß ziehen, nämlich den, daß unser Volk mit
Arzneistoffen übersättigt ist. Es ist Pflicht der Ärzteschaft, dieser
Drohung der Zivilisation zu begegnen, die im Verein mit anderen
Drohungen ähnlicher Art in wenigen Generationen über Sein
oder Nichtsein eines Volkes entscheiden kann.
Man soll sich nun nicht vorstellen, daß dieses schwere Problem
sozusagen mit einem Handgriff erledigt wäre, wenn man neben
unserm heutigen Arzneischatz einen andern aufbaut, der angeblich
nur harmlose und völlig ungiftige Stoffe enthält. Fabriken derar-
tiger Arzneien schießen augenblicklich aus der Erde wie Pilze
nach einem warmen Regen. Man sollte sich doch darüber klar
sein, daß diese Fabriken letzten Endes ein entsprechendes Mehr
im Gesamtverbrauch an Chemikalien bedeuten. Besonders aber wird
ein Patient, der zunächst an völlig harmlose und ungiftige Stoffe
gewöhnt wird, nach einiger Zeit genügend in der Selbstbeobach-
tung geschult sein, um festzustellen, daß in vielen Fällen die
alten Medikamente besser wirken. Erfahrungsgemäß bedeutet
jedes gute neue Medikament, das auf den Markt kommt, gleich-
zeitig einen Mehrverbrauch an guten alten Medikamenten.
Dieses Problem ist nur zu lösen durch eine neue Grundhaltung
des Arztes zum heutigen Arzneischatz, sowie durch eine Erziehung
des Patienten, der wieder wissen muß, daß es in vielen Fällen
für seine körperliche und geistige Gesundheit besser ist, wenn
er keine Arznei erhält.
Es liegt mir fern, unter die professionellen Schwarzseher zu
gehen. Immer noch ist der Mensch unter allen Lebewesen das-
jenige, das sich am besten an extreme Lebensbedingungen an-
gepaßt hat. Die Menschheit hat sich an Diätformen gewöhnt,
über die manche der heutigen Ernährungsforscher den Kopf
 
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