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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0118
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118

Ernst Marx:

Ganzen, dieses Leben ein Teil des großen Lebens der Welt.
Wie im Ozean eine Woge die andere treibt, ... so geht die
große Kette des Bedingenden und Bedingten, das wiederum Be-
dingendes zu anderem Bedingtem wird, durch das ganze All, . . .
Und während die Unendlichkeit im Kleinsten wie im Größten
schweigend und demutsvoll sich dem Gesetze beugt, sollte die
verschwindend kleine Funktion eines Teilchens vom Ganzen, weil
es Bewußtsein heißt und die Basis unseres Eigendünkels bildet,
sich allein auflehnen wollen gegen die große Herrschaft, eine
zweite Welt bildend zum Hohne der ersten? — Das im Raume
ausgedehnte Bewußtsein findet sich nur da, wo zentrale Nerven-
substanz in ihrer Integrität besteht, und hört auf zu sein, wenn
diese Integrität bis zu einer gewissen Grenze aufgehoben ist. —
Wenn bei Krankheiten der Hemisphären das Gedächtnis erlischt,
und das Gedächtnis etwas nur der Seele Eigentümliches wäre,
wie könnte es möglich sein, daß desorganisierte Materie offenbar
ein Stück aus diesem immateriellen Wesen reißen könnte? Wenn
ein auf die Hemisphären, resp. das Cerebrospinalorgan wirken-
der Druck das Bewußtsein aufhebt und Beseitigung des Druckes
dasselbe oft ebenso schnell wiederherstellt, so kann das Ver-
schwinden des Bewußtseins durch den Druck nicht in einer Kom-
pression des immateriellen Wesens gesucht werden, da dieses
von Materie nicht gedrückt werden kann, sondern in der Kom-
pression des Nervenmarks. Will man immer noch das immaterielle
Wesen halten, so muß zugegeben werden, daß erst aus dessen
Wechselwirkung mit der bestimmt organisierten Materie des Cere-
brospinahnarks Bewußtsein möglich werde. Was bleibt aber noch
an dieser ,Seele’, wenn sie nach Zerstörung der Nervensubstanz
nicht mehr empfinden, nicht denken, nicht wollen kann? — Es
müßte ein Etwas bleiben, das alles eingebüßt hat, wodurch es
das ist, was es eigentlich vorstellen soll. Könnt Ihr aber wohl
und wollt Ihr ein Etwas ,Seele’ nennen, was nicht empfindet, nicht
weiß, nicht urteilt, nicht mehr will? Und tätet Ihr es, was wäre
Euch damit gedient? — Bis jetzt wissen wir bereits, daß die
,Seele’ der niederen Tiere ein teilbares Individuum ist, das mit
dem Schnitte in so viele Individuen zerfällt, als Körperstücke vor-
handen sind. Ich werde zeigen, daß die Teilbarkeit des Senso-
riums nicht allein für die niedersten Tiere, sondern für die ganze
Tierwelt gilt. Ich werde zeigen, daß ein Kätzchen, dessen Dorsal-
mark zerschnitten ist, zwei .Seelen’ bekommen hat. Denn das
 
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