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Achelis, Johann Daniel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 3. Abhandlung): Die Ernährungsphysiologie des 17. Jahrhunderts: Festvortrag bei der Stiftungsfeier der Akademie am 22. Mai 1938 — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.43749#0012
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12 Johann Daniel Achelis
auch die Funktionszusammenhänge aus, deren mechanische Natur
gar nicht feststand.
Borelli, der ebenso wie Sanctorio in der Regel als Jatro-
physiker und als Beispiel exakter Forschung hingestellt wird, war
also im Grunde ein Philosoph der Natur, dessen unverrückbare
Grundthese die war, dass alles Bewegung ist, und dass anders
keine Wahrheit gefunden werden kann.
Es ist ersichtlich, dass gerade diese mechanische Philosophie
für eine Analyse der Ernährung äußerst wenig geeignet ist. Borelli
versucht sie trotzdem. Und sie ist in ihrer außerordentlichen Ein-
fachheit deshalb bemerkenswert, weil einige unserer heutigen
Grundvorstellungen über die Stoffwechselvorgänge aus dieser
mechanischen Schule stammen, so gut wie unsere Ernährungs-
bilanzen im Grunde auf Sanctorio zurückgehen.
Jeder Neubildung einer festen Form, meint Borelli, muß ihre
vollständige Zertrümmerung vorhergehen. Mit Hammer, Säge und
Mahlstein muß man herangehen, bevor eine neue Ordnung der
Teilchen möglich ist. Diese notwendigen Apparate sind offenbar
in den Kauwerkzeugen und beim Vogel auch in dem muskulösen
Magen gegeben, dessen Kraft man daraus entnehmen kann, dass
sogar Glas- und Bleiperlen in ihm zerrieben werden. Die Er-
nährung ist also hauptsächlich Kauen. Nur in einigen Fällen muß
eine Fermentatio bei dieser Zertrümmerung eingreifen, so wie
man ja auch zuweilen Metalle im Scheidewasser zergehen läßt.
Die kleinen Korpuskeln, die so entstehen, erreichen dann auf dem
Blutwege die Organe. Diese nutzen sich dauernd ab, und es ent-
steht ein Vakuum in ihrem Innern. Dieses Vakuum saugt dann
aus dem Blut die passenden Teilchen an. Die Form der Poren
sorgt dafür, dass nicht die falschen Teilchen in die Organe ge-
raten. So marschieren dann die Nahrungsteilchen durch den Kör-
per hindurch wie eine Kolonne Soldaten, die unterwegs einmal
ausschwärmt und sich dann wieder sammelt. Deutlicher wie durch
dies Beispiel kann man die Korpuskulartheorie wohl nicht aus-
sprechen. Alle qualitativen Überlegungen liegen Borelli so fern,
dass er es für möglich hält, dass einige Tiere vom Sand, andere
vom Wasser, und einige Vögel zum guten Teil von Steinen
leben. Wenn nur Korpuskeln ersetzt werden müssen, ist es im
Grunde gleichgültig, woher sie stammen.
Es ist wenig verlockend, diesem doktrinären Mechanisten nun
auch noch in seine Theorien von Hunger und Durst, vom Schmerz
 
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