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Goerttler, Kurt; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 8. Abhandlung): Die Differenzierungsbreite tierischer Gewebe im Lichte neuer experimenteller Untersuchungen — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43754#0010
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Kurt Goerttler: Die

stammende Granulationsgewebe unter Druck Knorpel bildet, ist
durch Krompecher schon früher nachgewiesen worden.) Ob das
gleiche Gewebe aber auch in der Lage ist,, an Knochenenden
glatte Knorpelüberzüge zu bilden, so wie sie den Gelenkenden
zukommen, das war die Frage, die hier weitergehend aufge-
worfen wurde. Sie konnte durch unsere Experimente gelöst
werden.
Am Kniegelenk eines Kaninchens haben wir einmal die ge-
samte Femurfläche bis zur Hälfte der knöchernen Epiphyse ab-
getragen. Bei einem anderen Kaninchen haben wir Femurfläche
und Tibiafläche gleichzeitig entfernt, sodaß hier im Gelenk blanke
Knochenflächen aufeinander stießen. Ausgehend von Vorstellungen
über den Mechanismus der Gelenkbildung im Embryo, bei dem
zweifellos die Schleifwirkungen der Muskelkräfte eine entsprechende
Rolle spielen, haben wir dafür gesorgt, daß die mit Granulations-
gewebe überzogenen Wundflächen (nach etwa 5 Tagen) von An-
fang an innerhalb der natürlichen Grenzen ihres Bewegungs-
raumes bewegt wurden. Durch die damit gesetzten Seitenver-
schiebungen, die sich den durch den Muskelzug bewirkten Druck-
wirkungen noch überlagerten, ist es dann in erstaunlichstem Maße
gelungen, die Regeneration eines typischen Gelenkknorpels zu er-
zielen.
Entscheidend für den Erfolg erscheint mir auch hier die bio-
logische Aufgabe, die wir stellten. Nur unter deren Zwang
und im Verbände des Organismus, für den sich nun einmal kein
Ersatzschema konstruieren läßt, offenbart sich erst die Potenz-
breite eines Gewebes. Dagegen sehen wir im Explantat unter künst-
lichen Lebensbedingungen immer nur eine Beschränkung der Po-
tenz, die ebenfalls eine Anpassungserscheinung sein mag, aber
eben an diesen ausgefallenen und völlig unbiologischen Fall
ihres Daseins.
Während diese beiden Fälle von Gewebtransformationen von
Muskel- und Granulationsgewebe innerhalb des lebenden Orga-
nismus im wesentlichen bedingt erscheinen durch die mechani-
schen Verhältnisse, möchte ich in einer weiteren Gruppe von
Experimenten am Epithelgewebe noch zeigen, daß die reali-
sierenden Kräfte innerhalb des Organismus offenbar aber viel
allgemeinerer Art sein müssen, weil mechanisch wirksame Fak-
toren in ihnen keine Rolle spielen können.
Ich möchte aus der großen Zahl der von uns angestellten
 
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