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Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0039
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Theophrasts von Hohenheim. I. Anhang

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stehen von einem aussaz, der volkomen gewesen ist öffentlich
durchaus, zum andern von einem aussaz, der alein in loco vulvae
gewesen ist. dise zwen aussaz haben die krankheit geben.“1)
Das heißt also, daß keiner der Partner vor der Vereinigung syphi-
liskrank war, sondern die Krankheit erst in cohabitatione ent-
steht. Das Bild wird dann konsequent zu Ende geführt: die Maul-
tiere sind tückisch und unberechenbar — so ist auch die Maul-
tierkrankheit, die Syphilis, von „besonderer Tücke, so daß sie
den Arzt umtreibt, vexiert und verspottet.“ Schließlich werden
die chirurgischen Krankheiten kurzerhand in Männlein und Weib-
lein eingeteilt. Diese paaren sich, und es entstehen gleichsam
durch Kreuzung aus 14 Krankheitsmännlein und 30 Krankheits-
weiblein 420 Species der Syphilis. — Gegenüber der Lehre von
der Transmutation der verborgenen Krankheiten und der sorg-
fältigen Beschreibung der verschiedenen Erscheinungsformen der
Lues muß man diese Darstellung als recht vereinfacht und ver-
gröbert bezeichnen.
4. Als letztes Beispiel mag noch auf die Entstehung der
„Tinctur“, also des Krankheitsgiftes, hingewiesen werden: „also
merket auf solchs, das die tinctur ante prima materia ein auszug
ist aller bosheit und gifts aller chirurgicalischer krankheiten, von
allen aussezen, von allen krezen, von aller räuden, von allen
zitrachen, von allen fistulen und krebsen, von allen drüsen und
peulen, von allen wölfen und krebsen, von allen heißen und
kalten brant, von allen scheden und löchern.5) Zunächst ist der
Ausdruck „ante prima materia“, vor der Schöpfung, neu und
findet sich meines Wissens sonst nicht bei Parazelsus. Diese
Tinctur vermehrt sich, worauf oben bereits hingewiesen wurde;
sie ist die Quintessenz aller Krankheit. So erscheint die Syphilis
fast als die Urkrankheit, als das Urböse überhaupt. Bekommt nun
ein Syphilitiker eine Gelbsucht, dringt eine andere Krankheit in
den französischen Körper ein, verliert sie die ihr angeborene Art
und Eigenschaft. — 1528 war es genau umgekehrt: Die Lues
brauchte einen corpus — das war die verborgene Krankheit —,
um überhaupt in Erscheinung treten zu können. So ist auch hier
eine Grundthese völlig verändert. —
Diese Beispiele mögen genügen. Sie ließen sich leicht ver-
mehren. Wenn die Schrift wirklich parazelsisch wäre, müßte man

4) X, 442.

5) X, 464.
 
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