Theophrasts von Hohenheim. I. Anhang
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zu erkennen, das Christus und die seinen tempora nationuni ver-
kündigen, der astronomus aber tempora naturae. das ist ein grosser
unterscheit und den merkent wol und nur fast wol, ir naturales
und theologi“8). Und dieser Standpunkt, daß Naturphilosophie
und Theologie zu trennen sind, wird dann auch in der Sache
durchgehalten. Der naturphilosophische Standpunkt von 1538 unter-
scheidet sich nicht wesentlich von dem von 1525 im Volumen para-
mirum, also der ersten systematischen Schrift. So darf man also
sagen, daß jener Wechsel des naturphilosophischen Standpunktes,
(Epidemiologie bzw. Strafe Gottes zum Beispiel), Parazelsus
fremd ist. Auch in den späteren Schriften liegt ihm die Vermen-
gung von Theologie und Natur, eine moralisierende Auffassung
der Krankheit völlig fern. Er ist stolz darauf, daß er Heide zu
sein scheint, solange er von der Natur handelt.
Das Ergebnis wäre also, daß das dritte Buch der Wundarznei
zwar die echten Syphilisschriften und die echte Philosophia sagax
(außerdem wohl auch den Labyrinthus medicorum) benutzt hat,
aber die Syphilistheorie vergröbert und entstellt, und den theo-
logischen Ausgangspunkt der Philosophia sagax verfehlt. Es bleibt
eigentlich nur die Annahme, daß es sich um eine Fälschung
handelt, die (nicht ungeschickt in ihren Formulierungen) hinein-
gepaßt ist in die übrigen parazelsischen Werke der Jahre 1535 —
1538. Der Autor mag der von Huser angegebene Amanuensis
sein, der in großen Zügen um die Entwicklung der parazelsischen
Ideen wußte und das kombinierte, was ihm daran eingeleuchtet
hat. Das ist jedenfalls das Bild, das sich nach dem heutigen
Stand der Parazelsusforschung ergibt.
Diese Fälschung hat nun aber, wie mir scheint, noch eine
allgemeine Bedeutung. Wenn man die Befreiung der Medizin und
und Naturforschung von den autoritären Meinungen zur neuen
Unmittelbarkeit hin als Reformation bezeichnet, ist der Stand-
punkt jenes untergeschobenen Buches ein gegenreformatorischer.
Es wird hier ja die Natur, allerdings zunächst nur die Natur des
Menschen, neuen nunmehr theologischen Bindungen unterworfen.
Es ist vielleicht sachlich doch nicht unwichtig, daß diese gefälschte
Schrift erst 1572 zum ersten Mal gedruckt wurde.
Man muß zugeben, daß für einen oberflächlichen Leser manche
der Stellungnahmen in der Wundarznei als einfache Konsequenzen
der Syphilispathologie von 1528/29 erscheinen müssen. Auf zwei
solche Fälle wurde oben schon hingewiesen. Schließlich hat ja
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zu erkennen, das Christus und die seinen tempora nationuni ver-
kündigen, der astronomus aber tempora naturae. das ist ein grosser
unterscheit und den merkent wol und nur fast wol, ir naturales
und theologi“8). Und dieser Standpunkt, daß Naturphilosophie
und Theologie zu trennen sind, wird dann auch in der Sache
durchgehalten. Der naturphilosophische Standpunkt von 1538 unter-
scheidet sich nicht wesentlich von dem von 1525 im Volumen para-
mirum, also der ersten systematischen Schrift. So darf man also
sagen, daß jener Wechsel des naturphilosophischen Standpunktes,
(Epidemiologie bzw. Strafe Gottes zum Beispiel), Parazelsus
fremd ist. Auch in den späteren Schriften liegt ihm die Vermen-
gung von Theologie und Natur, eine moralisierende Auffassung
der Krankheit völlig fern. Er ist stolz darauf, daß er Heide zu
sein scheint, solange er von der Natur handelt.
Das Ergebnis wäre also, daß das dritte Buch der Wundarznei
zwar die echten Syphilisschriften und die echte Philosophia sagax
(außerdem wohl auch den Labyrinthus medicorum) benutzt hat,
aber die Syphilistheorie vergröbert und entstellt, und den theo-
logischen Ausgangspunkt der Philosophia sagax verfehlt. Es bleibt
eigentlich nur die Annahme, daß es sich um eine Fälschung
handelt, die (nicht ungeschickt in ihren Formulierungen) hinein-
gepaßt ist in die übrigen parazelsischen Werke der Jahre 1535 —
1538. Der Autor mag der von Huser angegebene Amanuensis
sein, der in großen Zügen um die Entwicklung der parazelsischen
Ideen wußte und das kombinierte, was ihm daran eingeleuchtet
hat. Das ist jedenfalls das Bild, das sich nach dem heutigen
Stand der Parazelsusforschung ergibt.
Diese Fälschung hat nun aber, wie mir scheint, noch eine
allgemeine Bedeutung. Wenn man die Befreiung der Medizin und
und Naturforschung von den autoritären Meinungen zur neuen
Unmittelbarkeit hin als Reformation bezeichnet, ist der Stand-
punkt jenes untergeschobenen Buches ein gegenreformatorischer.
Es wird hier ja die Natur, allerdings zunächst nur die Natur des
Menschen, neuen nunmehr theologischen Bindungen unterworfen.
Es ist vielleicht sachlich doch nicht unwichtig, daß diese gefälschte
Schrift erst 1572 zum ersten Mal gedruckt wurde.
Man muß zugeben, daß für einen oberflächlichen Leser manche
der Stellungnahmen in der Wundarznei als einfache Konsequenzen
der Syphilispathologie von 1528/29 erscheinen müssen. Auf zwei
solche Fälle wurde oben schon hingewiesen. Schließlich hat ja