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Rodenwaldt, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1939, 2. Abhandlung): Frühzeitige Erkennung und Bekämpfung der Heeresseuchen — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43760#0012
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12

Ernst Rodenwaldt: Frühzeitige Erkennung
dern unter „andere Infektionskrankheiten“ geführt —, von rund
155 000 Ruhrfällen sind in der Tat erstaunlich niedrig. Dazu trat
dann als dritte Kriegsseuche, hauptsächlich durch den Balkan-
feldzug, mit rund 120 000 Fällen die Malaria. Und alles über-
schattete dann 1918 die Grippe mit im Ganzen über 300 000
Fällen. Diese Seuche hat aber mit dem Kriege nur mittelbar zu
tun. Sie hat auch in nichtkriegführenden Ländern ähnlich hohe
oder noch höhere Zahlen erreicht.
Ich muß gestehen, daß es mich bei dem Studium des Sani-
tätsberichtes am meisten überrascht hat, eine wie geringe Rolle
gegenüber den drei Hauptkriegsseuchen, dem Typhus, der Ruhr,
der Malaria, jede mit weit über 100 000 Fällen, alle anderen In-
fektionskrankheiten gespielt haben.
Sie hatten uns, mit Ausnahme der Cholera, die wir auf den
östlichen Kriegsschauplätzen erwartet hatten, mehr oder minder
überrascht. Wir haben Klinik, Behandlung und Bekämpfung
des Fleck fiebers und der Rekurrens fast ganz neuerlernen
müssen, als handelte es sich um bis dahin unbekannte Seuchen.
Auch die WEiL’sche Krank eit ist ihrem ganzen Wesen nach,
ganz abgesehen von der Auffindung des Erregers, der Lepto-
spira ictero-haemorrhagiae, erst im Kriege zu unserem festen kli-
nischen und epidemiologischen Erkenntnisbesitz geworden.
Alle drei Seuchen haben uns aber einen so großen Ein-
druck gemacht und hinterlassen, daß man mit Verwundern aus
dem Sanitätsbericht erfährt, daß auf das Konto des Fleckfiebers
nur rund 6000 Fälle kamen, der Cholera nur 3300 Fälle, der Re-
kurrens nur etwa 2000, und auf Weil rund 1000 Fälle. Dazu
kamen freilich beim Fleckfieber, bei der Rekurrens und auch bei
der Cholera die vielen Fälle bei der Zivilbevölkerung, die uns
meist mehr zu schaffen gemacht haben als diejenigen bei der
Truppe.
Bei der Rekurrens entschleiert die typische Form der Fieber-
kurve spätestens in 8 Tagen den Charakter der Krankheit und
damit der Epidemie, auch wenn man sich bei den ersten Fällen
geirrt hat. Man lernt dann rasch auf die Begleitsymptome achten,
auf die trockene Haut, auf den Knochenschmerz am Schienbein
und Unterarm und auf die Initialerytheme und Petechien. Hier
steht uns dann sofort mit einer Dosis von 0,45 Neosalvarsan
nicht nur das sichere Heilmittel zur Verfügung, sondern auch
die Ausschaltung d e s M e n s c h e n als Infektionsquelle.
 
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