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Soergel, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1940, 4. Abhandlung): Zur biologischen Beurteilung diluvialer Säugetierfaunen — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.43797#0017
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Beurteilung diluvialer Säugetierfaunen
Kaltformen und der hochalpinen Tiere im mitteleuropäischen und
in Teilen des westeuropäischen Raumes verdanken. Denn unter
diesen eiszeitlichen Klimaänderungen entwickelte sich in Mittel-
europa und in Teilen Westeuropas die kalte Steppe, in der die
östlichen Zuwanderer zusagende Lebensbedingungen fanden. Daß
in der Fauna der Steppennagerschicht Lemminge fehlen, daß
Biber und Edelhirsch vertreten sind, beweist nur, daß die Gegend
von Untertürkheim damals in der peripheren Zone einer solchen
Steppe, im Grenzbereich zu offenen Waldgebieten lag. Derartige
Grenzzonen müssen während jeder Vereisung, je nach deren
Ausdehnung und dem Ausmaß ihrer klimatischen Auswirkung
einmal weiter nordöstlich, einmal weiter südwestlich gelegen bzw.
bestanden haben. Daß edaphische Faktoren ihren Verlauf im ein-
zelnen mitbestimmt haben, ist selbstverständlich. Die glaziale
Stellung unserer Steppenfauna bezeugen schließlich neben dem
Wollnashorn vor allem Mammut und Rentier, die, sei es als
Standwild oder als nur winterliche Zuwanderer, eine kalte Steppe
oder das Vorhandensein ausgedehnter Kaltsteppengebiete weiter
im Nordosten und damit eine Vereisung auf norddeutschem Boden
beweisen (vergl. Soergel, 1939a, 1940a).
Gegen die von Penck vertretene Auffassung sprechen schließ-
lich auch die aus dieser Auffassung sich ergebenden Konsequenzen.
Die Steppenzeit im Untertürkheimer Profil löste eine Waldzeit ab
und war ihrerseits von einer Waldzeit gefolgt. Wer mit Penck
das ganze Travertinprofil in eine Interglazialzeit stellt, muß
daher die Steppenzeit als hochinterglazial ansprechen und damit
eine Auffassung über den interglazialen Klimagang vertreten, die
an zahlreichen pflanzenführenden Interglazialprofilen längst wider-
legt und von der Diluvialforschung aus vielen guten Gründen
längst verlassen wurde. Überdies müßten Mammut, Ren und
Wollnashorn hier unter klimatischen Verhältnissen gelebt haben,
die nach dem, was wir sicheres über den Klimacharakter dieser
Tiere wissen, als wahrhaft außergewöhnlich zu gelten hätten.
Penck’s These muß hier mit einer Anpassungsbreite von Säuge-
tieren rechnen, wie sie weder von einem lebenden Pflanzen-
fresser bekannt, noch für einen fossilen belegt ist. Selbst das
Waldren, auf das Penck diluviale Rentierfunde ohne Rücksicht
auf den besonderen Charakter der Geweihe gern bezieht, wäre
in einer hochinterglazialen Steppe unmöglich.
Der Versuch Penck’s, das „kalte Trio“ in Untertürkheim nach
 
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