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P. Lenard:
Atome sind abtrennbar von denselben. Gerade die Metallatome
zeichnen sich dadurch aus, daß sich sehr leicht negative Quanten
von ihnen abtrennen; es sind dies gerade ihre Valenzquanten,
welche die chemischen Kräfte dieser Metallatome (soweit sie
nach festen Valenzen wirken) ergeben. Aus der leichten Ab-
trennbarkeit negativer Quanten von den Metallatomen erklärt
sich aber nicht nur der chemische, „elektropositive", sondern
auch der gesamte physikalische Charakter der Metalle, z. B.
ihr gutes elektrisches und Wärmeleitungsvermögen. Ehen solche,
von Metallatomen (von dem Aluminiumatom der Kathode in der
Entladungsrohre) abgetrennte negative Quanten sind es auch,
die wir, in schnelle Fortbewegung versetzt, als Kathodenstrahlen
studierten.
Niemals aber sah man positive Elektrizität von Atomen
sich abtrennen. Vergeblich hat man nach Strahlen gesucht, welche
den Kathodenstrahlen analog wären, aber aus geschleuderter posi-
tiver Elektrizität beständen; man hat dabei nur geschleuderte
Atome gefunden (Kanalstrahlen, a-Strahlen der radioaktiven Ele-
mente, Anodenstrahlen). Es zeigt sich hierin ein tiefgreifender
Unterschied zwischen den beiden Elektrizitäten, die uns sonst
als so genau entgegengesetzt gleich erscheinen. Da negative
und positive Elektrizität an den Enden je eines Atherwirbel-
fadens sich finden, ergeben sich so für jeden Ätherwirbelfaden
notwendigerweise zwei verschieden beschaffene Enden.
Nachdem wir nun gezeigt haben, daß unser Bild von den
Atomen aufs beste zu allem Bekannten stimmt und auch daß es
außerdem eine Fülle von Anhalt zu weiterer Forschung bietet,
müssen wir jetzt noch mit einem Wort auch auf die Schwierig-
keiten eingehen, welche dem Bilde noch anhaften und welche
sich hauptsächlich auf die Verknüpfung von Materie und Äther,
das ist. also Elektrizität und Äther beziehen. Die Schwierigkeiten
erscheinen groß, aber es ist dies, glaube ich, doch nur deshalb
der Fall, weil noch große unbekannte Dinge hier zu suchen sind,
die, wenn gefunden, unser Bild von der Materie und dem Äther
nur verbessern und vereinfachen, nicht zerstören werden.
(Konstitution der Atome.) Eine Schwierigkeit besteht
darin, daß wir in gänzlicher Unkenntnis über die positive
Elektrizität sind, da wir dieselbe, wie erwähnt, nie für sich
allein, abgetrennt von der Materie, abgetrennt von negativer
P. Lenard:
Atome sind abtrennbar von denselben. Gerade die Metallatome
zeichnen sich dadurch aus, daß sich sehr leicht negative Quanten
von ihnen abtrennen; es sind dies gerade ihre Valenzquanten,
welche die chemischen Kräfte dieser Metallatome (soweit sie
nach festen Valenzen wirken) ergeben. Aus der leichten Ab-
trennbarkeit negativer Quanten von den Metallatomen erklärt
sich aber nicht nur der chemische, „elektropositive", sondern
auch der gesamte physikalische Charakter der Metalle, z. B.
ihr gutes elektrisches und Wärmeleitungsvermögen. Ehen solche,
von Metallatomen (von dem Aluminiumatom der Kathode in der
Entladungsrohre) abgetrennte negative Quanten sind es auch,
die wir, in schnelle Fortbewegung versetzt, als Kathodenstrahlen
studierten.
Niemals aber sah man positive Elektrizität von Atomen
sich abtrennen. Vergeblich hat man nach Strahlen gesucht, welche
den Kathodenstrahlen analog wären, aber aus geschleuderter posi-
tiver Elektrizität beständen; man hat dabei nur geschleuderte
Atome gefunden (Kanalstrahlen, a-Strahlen der radioaktiven Ele-
mente, Anodenstrahlen). Es zeigt sich hierin ein tiefgreifender
Unterschied zwischen den beiden Elektrizitäten, die uns sonst
als so genau entgegengesetzt gleich erscheinen. Da negative
und positive Elektrizität an den Enden je eines Atherwirbel-
fadens sich finden, ergeben sich so für jeden Ätherwirbelfaden
notwendigerweise zwei verschieden beschaffene Enden.
Nachdem wir nun gezeigt haben, daß unser Bild von den
Atomen aufs beste zu allem Bekannten stimmt und auch daß es
außerdem eine Fülle von Anhalt zu weiterer Forschung bietet,
müssen wir jetzt noch mit einem Wort auch auf die Schwierig-
keiten eingehen, welche dem Bilde noch anhaften und welche
sich hauptsächlich auf die Verknüpfung von Materie und Äther,
das ist. also Elektrizität und Äther beziehen. Die Schwierigkeiten
erscheinen groß, aber es ist dies, glaube ich, doch nur deshalb
der Fall, weil noch große unbekannte Dinge hier zu suchen sind,
die, wenn gefunden, unser Bild von der Materie und dem Äther
nur verbessern und vereinfachen, nicht zerstören werden.
(Konstitution der Atome.) Eine Schwierigkeit besteht
darin, daß wir in gänzlicher Unkenntnis über die positive
Elektrizität sind, da wir dieselbe, wie erwähnt, nie für sich
allein, abgetrennt von der Materie, abgetrennt von negativer