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Lenard, Philipp; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1910, 17. Abhandlung): Über die Strahlen der Nordlichter — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.37043#0008
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P. Lenard:

soeben speziell für die Sonne angestellten Überlegung ist. Ich
komme so dazu, allen den spiralförmig angeordneten Massen,
welche Herr HALB tatsächlich dort beobachtet, wo die magne-
tischen Felder sich zeigen, gerade den entgegengesetzten
Rotationssinn zuzuschreiben von dem, welchen dieser Forscher
— jedoch mit aller Reserve, wie hervorgehoben sei — für sie
annimmt.
Es kann zum Schlüsse gefragt werden, welches die Ent-
stehungsart so schneller Kathodenstrahlen auf der Sonne sei.
Darauf wäre zu antworten, daß, nach Untersuchungen an Flammen
zu urteilen3), das Material für solche Strahlen, nämlich freie
negative Elektrizitätsquanten, im Überfluß in der Sonnenatmo-
sphäre vorhanden sein muß. Jedoch die zur Hervorbringung der
außerordentlichen Geschwindigkeiten erforderlichen elektrischen
Kraftfelder in der jedenfalls gut leitenden Sonnenatmosphäre als
bestehend anzunehmen, dafür liegt bisher gar kein Anhalt
vor. Vielmehr zeigt die gegenwärtige Kenntnis ausschließlich
radioaktive Stoffe als Ursprung so schneller Strahlen. Da
aber die Strahlengeschwindigkeiten dieser Stoffe nach der vor-
handenen Theorie und auch nach direkter Erfahrung, soweit
solche vorliegt, von der Temperatur unabhängig sind, müßten
dann auf der Sonne noch andere, noch schnellere Strahlen
liefernde radioaktive Stoffe, als die auf der Erde bekannten,
angenommen werden. Es könnte sein, daß die ungeheuren
Drucke des Sonneninneren, welche nach Millionen Atmosphären
zählen, Anlaß zur Bildung von Atomen mit noch größeren
Massen als die des Uranatoms, des schwersten bisher auf
der Erde gefundenen radioaktiven Atoms, geben, oder doch
die dauernde Erhaltung solcher Atome möglich machen. Durch
Strömung aus dem Sonneninneren an die Oberfläche befördert,
würden diese Atome bei ihrem Zerfall die Quelle der Strahlen
sein können. Die Annahme der Bildung oder doch der Ver-
hinderung des Zerfalles der radioaktiven Atome im Inneren der
Himmelskörper, auch der Erde, scheint mir auch gegeben zu sein
als die nächstliegende Erklärung der Tatsache, daß diese auf
der Erdoberfläche instabilen Elemente überhaupt noch sich vor-
finden. Da der Zerfall dieser Elemente unter Volumenver-
größerung statthndet, wäre die Verhinderung des Zerfalles durch
Druck auch möglich.

S) P. LENARD, PAyg.

p. 649 f., 1902
 
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