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Erb, Wilhelm Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 4. Abhandlung): Die beginnende Klärung unserer Anschauungen über den Begriff der Metasyphilis des Nervensystems — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37627#0013
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Metasyphilis des Nervensystems.

(B. 4) 13

Auch hier müssen wohl gewisse Besonderheiten der späten
Spirochätenstämme zur Erklärung herangezogen werden; diese
zeigen ja wohl auch in ihren Eigenschaften und biologischen Wir-
kungen Abstufungen und scheinen sich in ihren pathogenen Fol-
gen wechselnd gestalten, ab- und zunehmen zu können. Darauf
weisen mancherlei Erfahrungen der Pathologie hin, z. B. die zu-
nehmende und abnehmende Häufigkeit der Paralyse, die wech-
selnden und in neuerer Zeit entschieden modifizierten Formen
derselben (Zurücktreten der manischen Stadien mit Größenwahn,
Überwiegen der einfach dementen Formen, des mehr chronischen
und protrahierten Verlaufs u. dgl.; auch die neuerdings immer
mehr hervortretende Häufigkeit der ganz milden, abortiven,
inkompleten, stationären Formen der Tabes!).
Schon lange war es verschiedenen Beobachtern aufgefallen,
daß es gewisse Formen und Fälle von Syphilis gibt, welche eine
ausgesprochene Neigung haben, das Nervensystem zu befallen.
Es waren besonders Beobachtungen von schweren nervösen Er-
krankungen sehr verschiedener Personen, die sich bei dem glei-
chen syphilitischen Individuum infiziert hatten; die Erfahrungen
bei der konjugalen Tabes und Paralyse, wo der eine Eheteil den
andern stets mit der gleichen oder nahe verwandten nervösen
Zentralerkrankung infizierte; die Erfahrungen bei der hereditären
und infantilen Tabes und Paralyse, die fast immer auf Eltern
zurückgehen, die beide, oder doch im einen Eheteil an der gleichen
Krankheit (natürlich auch mit Lues) litten u. dgl. m.
Und so kam man zuerst in Frankreich zu der Aufstellung
einer ,,Syphilis ä virus nerveux“ — einer Lues nervosa. Ich
selbst habe mich wiederholt für diese Annahme ausgesprochen
und sie mit zahlreichen Beispielen belegt* 1), aber sie fand auch
stets sehr hartnäckige Gegner.
Ich kann der Versuchung nicht wiederstehen, hier die von Oskar
Fischer (s. u.) zusammengestellten interessanten Beobachtungen von Mende l,
Regis, Nonne (a. ein von einem Fremden infiziertes Kind wird tabisch;

pathie sind als spätsyphilitische Prozesse zu bezeichnen.“ Berl. klin. Woch.
1913, Nr. 18, S. 850.
1) Vgl. Erb „Syphilis und Tabes“, Berl. klin. Woch. 1904, Nr. 1—4
und meine einleitenden Bemerkungen zu dem Aufsatz von Franz Fisch ler:
Über die syphilogenen Erkrankungen des zentralen Nervensystems und über
die Frage der „Syphilis a virus nerveux“ in der Deutsch. Zeitschr. f. Nerven-
heilkunde, Bd. 28, S. 438, 1905.
 
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