24 (B. 5.)
G. Klebs.
wand gegen meine Lehre, sondern sind im Gegenteil eher ein Be-
weis für ihre Richtigkeit. Denn setzen wir einen autonomen selbst-
regulatorischen Mechanismus voraus, so wäre es doch ganz unbe-
greiflich, daß der Pilz nicht imstande wäre, alle seine Fortpflan-
zungsformen unter günstigen Ernährungsbedingungen zu bilden.
Die Tatsache, daß er es nicht tut, ist ein Beweis dafür, daß be-
sondere Außenbedingungen dafür notwendig sind und daß es
unsere Aufgabe ist, sie kennen zu lernen, um dann die Vorgänge
im Experiment hervorzurufen.
6. Der Entwicklungsgang der Blütenpflanzen.
Es ist kaum nötig hervorzuheben, daß bei den Blütenpflanzen
im Vergleich zu den Algen und Pilzen die Verhältnisse sehr viel
komplizierter liegen und wir hier auf Schwierigkeiten stoßen, die
zum Teil noch ganz unüberwindlich erscheinen. Doch sind bereits
heute zahlreiche Entwicklungsvorgänge in ihrer Abhängigkeit von
der Außenwelt bekannt. Ich brauche nur auf das reiche Material
zu verweisen, das sich in Goebels experimenteller Morphologie
(1908) zusammengestellt findet. Die mannigfachen Blattformen
der Wasser- und Sumpfpflanzen, aber ebenso die Blatt- und Stengel-
formen der Xerophyten, die Dorsiventralität und laterale Anord-
nung der Sprosse, das Auftreten von Jugendzuständen in älteren
Entwicklungsstadien, die Umwandlung'der verschiedenen Stengel-
formen, Laubtriebe, Knollen, Rhizome, die Wurzelbildung usw.,
alle diese Vorgänge stehen in engstem Zusammenhänge mit be-
stimmten Bedingungen der Außenwelt und lassen sich deshalb
experimentell hervorrufen. Die Gesamtentwicklung einer Blüten-
pflanze birgt andrerseits eine Fülle ungelöster Probleme. Seit
Jahren habe ich versucht, durch Studien an Sempervivum (1905,
1906, 1910) diesen Problemen näher zu treten und die Bedingungen
für das Wachstum, die vegetative Vermehrung durch Tochter-
rosetten, die geschlechtliche Fortpflanzung in Form der Blüten-
stände herauszufinden. Die Arbeit hat schließlich zu dem gleichen
Resultat geführt wie die Untersuchung von Pilzen und Algen.
Jedes dieser Entwicklungsstadien steht in einem andersartigen
Verhältnis zur Außenwelt. Man kann mit Hilfe der Kenntnis der
notwendigen Faktoren durchaus bestimmen, wie die Entwicklung
stattfindet. Es gelingt, die Rosetten jahrelang für sich wachsen zu
lassen ohne Bildung von Tochterrosetten oder mit zeitweiliger
G. Klebs.
wand gegen meine Lehre, sondern sind im Gegenteil eher ein Be-
weis für ihre Richtigkeit. Denn setzen wir einen autonomen selbst-
regulatorischen Mechanismus voraus, so wäre es doch ganz unbe-
greiflich, daß der Pilz nicht imstande wäre, alle seine Fortpflan-
zungsformen unter günstigen Ernährungsbedingungen zu bilden.
Die Tatsache, daß er es nicht tut, ist ein Beweis dafür, daß be-
sondere Außenbedingungen dafür notwendig sind und daß es
unsere Aufgabe ist, sie kennen zu lernen, um dann die Vorgänge
im Experiment hervorzurufen.
6. Der Entwicklungsgang der Blütenpflanzen.
Es ist kaum nötig hervorzuheben, daß bei den Blütenpflanzen
im Vergleich zu den Algen und Pilzen die Verhältnisse sehr viel
komplizierter liegen und wir hier auf Schwierigkeiten stoßen, die
zum Teil noch ganz unüberwindlich erscheinen. Doch sind bereits
heute zahlreiche Entwicklungsvorgänge in ihrer Abhängigkeit von
der Außenwelt bekannt. Ich brauche nur auf das reiche Material
zu verweisen, das sich in Goebels experimenteller Morphologie
(1908) zusammengestellt findet. Die mannigfachen Blattformen
der Wasser- und Sumpfpflanzen, aber ebenso die Blatt- und Stengel-
formen der Xerophyten, die Dorsiventralität und laterale Anord-
nung der Sprosse, das Auftreten von Jugendzuständen in älteren
Entwicklungsstadien, die Umwandlung'der verschiedenen Stengel-
formen, Laubtriebe, Knollen, Rhizome, die Wurzelbildung usw.,
alle diese Vorgänge stehen in engstem Zusammenhänge mit be-
stimmten Bedingungen der Außenwelt und lassen sich deshalb
experimentell hervorrufen. Die Gesamtentwicklung einer Blüten-
pflanze birgt andrerseits eine Fülle ungelöster Probleme. Seit
Jahren habe ich versucht, durch Studien an Sempervivum (1905,
1906, 1910) diesen Problemen näher zu treten und die Bedingungen
für das Wachstum, die vegetative Vermehrung durch Tochter-
rosetten, die geschlechtliche Fortpflanzung in Form der Blüten-
stände herauszufinden. Die Arbeit hat schließlich zu dem gleichen
Resultat geführt wie die Untersuchung von Pilzen und Algen.
Jedes dieser Entwicklungsstadien steht in einem andersartigen
Verhältnis zur Außenwelt. Man kann mit Hilfe der Kenntnis der
notwendigen Faktoren durchaus bestimmen, wie die Entwicklung
stattfindet. Es gelingt, die Rosetten jahrelang für sich wachsen zu
lassen ohne Bildung von Tochterrosetten oder mit zeitweiliger