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Bluntschli, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1919, 6. Abhandlung): Anatomie als pädagogische Aufgabe — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.36558#0015
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Anatomie als pädagogische Aufgabe.

(B. 6) 15

ßenden Verständnis kommt. Auf diese Weise wird der Lehrer
entlastet von jener langweiligen, rein beschreibenden Art der Dar-
legung und dem Lernenden von vorneherein mehr selbständige
Arbeit zugemutet. Wer so unterrichtet, erlebt gar bald, wie viel
kluge Fragen aus dem Hörerkreis gestellt werden, die dartun,
daß die Studierenden mit vollstem Interesse bei der Sache sind.
Und ganz ähnlich wie der osteologische Teil ist auch der
myologische dieses Anfängerunterrichtes zu gestalten, es gilt ja
den Bewegungsapparat als Ganzes zu erfassen. Bis anhin gehen
eine myologische Vorlesung (bald an die Osteologie angereiht, bald
an die systematische Anatomie angeschlossen) und ein erster Prä-
parierkurs nebeneinander her. Es ist sehr die Frage, ob der letztere
sich auf die Dauer wird beibehalten lassen, denn von verschiedenen
Seiten wird auf ein nur einsemestriges Präparieren hingestrebth
Der an vielen Anatomien bestehende Materialmangel, die allzu
große Anzahl der Präparanten, die steigenden Zeiterfordernisse für
den klinischen Unterricht, alle diese Momente tendieren in gleicher
Dichtung. Ich hielte es für kurzsichtig ohne weiteres eine ableh-
nende Haltung einzunehmen. Aber das ist klar, soll ein nur ein-
semestriges Präparieren auch nur einigermaßen ausreichende eigene
Erfahrungen über den Bau unseres Körpers zeitigen, dann kann
es sich nicht nur darum handeln, das erste Präpariersemester ein-
fach wegzustreichen, sondern dann muß eben der ganze Anfänger-
unterricht in der Anatomie umgestaltet werden. Dann muß vor
allem auch die technische Fertigkeit, ohne deren Vorhandensein
ein Präparieren von Gefäßen und Nerven eine Unmöglichkeit ist,
vorher auf andere Weise erworben werden. Dies ließe sich erreichen
in dem geforderten osteo-myologischen Praktikum für jün-
gere Semester, welches mit einem Nachmittag pro Woche (wo die
Teilnehmerzahl über 30 bis 40 steigt in Parallelübungen) unter
Umständen sogar in einem Sommersemester das Ausbildungsziel
wohl erreichen ließe. Wie oben schon angedeutet, müßte es in
organisatorische Verknüpfung mit einer das Allgemeine behandeln-
den Vorlesung und mit gründlicher Vorbereitung dienenden Demon-
strationen gebracht werden. In diesem Praktikum müßte jeder
Studierende sich auch die grundlegende präparatorische Geschick-
lichkeit erwerben, müßte eine Beihe kleinere Muskelpräparate und
wenigstens ein gutes Gelenkpräparat selber gründlich anfertigen.
* Vgl. z. B. B. FiscHER, Zur Neuordnung des medizinischen Studiums
und Prüfungswesens, München 1919.
 
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