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Duhn, Friedrich von; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 1. Abhandlung): Der Dioskurentempel in Neapel — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32138#0021
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Der Dioskuventempel in Neapel.

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dem Dioskur zur Rechten und der Bule zu lassen, unsymmetrisch
zur Mitte verteilt werclen müßten. Das hat auch de Petra ein-
gesehen, der von der gelegentlich bei den Alten begegnenden
Annahme ausgehend, Polydeukes sei der unsterbliche der beiden
Brüder, diesen in den Mittelpunkt schiebt: L'artista pote dare
prevalenza alla natura divina di Polluee e collocarlo proprio nel
mezso clel campo, mcntre a Castore cli origine umana clava un posto
immediatamente appresso. Das geht nicht. Eine derartig un-
gleichmäfsige Behandlung der beiden in der Vorstellung des ge-
samten Altertums untrennbaren „Castores“ wäre in der künst-
lerischen Überlieferung der Antike mit keinem Beispiel zu belegen:
die beiden Brüder sind geradezu dazu da, stets parallel zu er-
scheinen. Es kommt wohl vor, daß aus Platzmangel, z. B. auf
Münzen, nur einer der göttlichen Reiter oder einer ihrer Köpfe
dargestellt ist: aber wo sie beide erscheinen, stehen sie auch völlig
koordiniert nebeneinander. Wäre Polydeukes allein als Zentralfigur
behandelt, so mühte er sogar eigentlich in größerem Maßstab ge-
halten sein, was sein Verhältnis zu Castor noch unmöglicher ge-
stalten würde. Daß clie gleich zu besprechenden Torsi, höchst-
wahrscheinlich eben clie Reste cler Dioskuren, völlig gleiche Größe
zeigen, sei ebenfalls erwähnt, um jene von de Petra vorgeschlagene,
von Correra, wie es scheint, gebilligte Aufstellung mit Polydeukes
als Mittelfigur unmöglich erscheinen zu lassen. Die Länge beicler
Torsi von Halsgrube bis Schamansatz (Leistenfuge) beträgt 0,92,
der Brustwarzenabstand 0,40: also H/sfache Lebensgröße und
Gegenstücke.

Außer den Dioskuren würde man als dritte Gestalt cler Lücke
vielleicht gern die Vertreterin der Staclt Neapel voraussetzen mögen,
da cloch der Tempel den Dioskuren und der Staclt geweiht war.
Würcle man die Parthenope zwischen die Dioskuren setzen, so
würde eine unerträgliche Verteilung der Brüder clie Folge sein,
wiederum cler eine, auf die Seite gedrängt, als dem andern unter-
geordnet erscheinen, was nicht geht; sie sind die ersten und vor-
nehmsten Herren des Tempels; ihre Statuen inußten daher die
Mitte einnehmen, während Parthenope, dem Apollon entsprechend,
sie von der Bule getrennt hätte. Auf solche Weise würde die
Lücke sich füllen gemäß den Anförderungen, die Kunst und Religion
hier zu stellen hatten. Ich liabe eine solche Vertreterin der Stadt
„Parthenope“ genannt, weil uns diese Bezeichnung aus Statiüs’
zahlreichen Erwähnungen am geläufigsten ist, auch wohl den Alten
 
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