Die Erneuerung des Hegelianisnius.
o
bei ihrer Erneuerung ist Kants Lehre zunächst als Erkenntnis-
theorie aufgerollt und einseitig darauf beschränkt worden. Schon
Schopenhauer hatte die praktische Philosophie Kants und
alle ihre Ivonsequenzen abgelehnt, und wenn man nach der
Mitte des vorigen Jahrhunderts die Philosophie vermeintlich im
Sinne Kants als Spezialwissenschaft behandelte, so galt sie als
Erkenntnistheorie und nur als solche. Dieser Bann ist nun in
den letzten Jahrzehnten durchbrochen, und wiederum ist die
Gesamtheit der Vernunfibetätigungen in ihrem begrifflichen Grund-
stock zum Forschungsgebiet der Philosophie geworden. Und das
ist in der Tat ein Boden für gemeinsame fruchtbare Begrift's-
arbeit, wie nur in irgendeiner anderen der besonderen Wissen-
scbaften, und ein reiches Feld für eingehende, bestimmt zu
formulierende Aufgaben der Untersuchung. So gefaßt, ist die
Philosophie nicht mehr ein allgemeines Gerede „übers Ganze“
sondern ernste Begriffsarbeit an Sonderproblemen, die man nur
frisch und ohne große methodologische Umständlichkeit an-
packen soll.
So hat die Philosophie ihr Eigenrecht und ihre Forschungs-
stelle auch in einer Akademie.und soll sich an deren Arbeiten
in diesem Sinne beteiligen. Aber wenn ihr Vertreter an einem
festlichen Tage zu Worte kommt, wo die Akademie nach außen
heraustritt und sicli des Interesses weiterer Kreise dankbar freuen
darf, dann wird er, wie es auch dem Vertreter jeder anderen
Spezialwissenschaft erlaubt wäre, nicht solche Detailarbeit als
Probe vorlegen, sondern für ein Allgemeineres zu interessieren
sucben und womöglich eine Frage aufwerfen, die mit der gegen-
wärtigen Stellung seiner Wissenschaft zu dem geistigen Ge-
samtleben enger zusammenhängt.
Versuche ich derartiges, so reizt. es mich heute, über eine
Tatsacbe Rechenschaft zu geben, die wohl jedem auffällt, der
sich einigermaßen mit der gegenwärtigen Philosophie, mit ihrem
literarischen und akademischen Betriebe beschäftigt, eine Tat-
sache, die dabei überall eine gewisse Verwunderung erweckt:
das ist die Erneuerung des Hegelianismus.
Diese Tatsache kann man nicht verkennen, und man soll
sie nicht unterschätzen. Sie bedeutet mehr als eine Mode des
Tages. Hegel erfährt, wie Kant, im Wechsel der Generationen
den Wechsel der Anerkennung, und zwar in noch extremerer
Weise. Begeistert einst von einer ganzen Generation empfangen —
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bei ihrer Erneuerung ist Kants Lehre zunächst als Erkenntnis-
theorie aufgerollt und einseitig darauf beschränkt worden. Schon
Schopenhauer hatte die praktische Philosophie Kants und
alle ihre Ivonsequenzen abgelehnt, und wenn man nach der
Mitte des vorigen Jahrhunderts die Philosophie vermeintlich im
Sinne Kants als Spezialwissenschaft behandelte, so galt sie als
Erkenntnistheorie und nur als solche. Dieser Bann ist nun in
den letzten Jahrzehnten durchbrochen, und wiederum ist die
Gesamtheit der Vernunfibetätigungen in ihrem begrifflichen Grund-
stock zum Forschungsgebiet der Philosophie geworden. Und das
ist in der Tat ein Boden für gemeinsame fruchtbare Begrift's-
arbeit, wie nur in irgendeiner anderen der besonderen Wissen-
scbaften, und ein reiches Feld für eingehende, bestimmt zu
formulierende Aufgaben der Untersuchung. So gefaßt, ist die
Philosophie nicht mehr ein allgemeines Gerede „übers Ganze“
sondern ernste Begriffsarbeit an Sonderproblemen, die man nur
frisch und ohne große methodologische Umständlichkeit an-
packen soll.
So hat die Philosophie ihr Eigenrecht und ihre Forschungs-
stelle auch in einer Akademie.und soll sich an deren Arbeiten
in diesem Sinne beteiligen. Aber wenn ihr Vertreter an einem
festlichen Tage zu Worte kommt, wo die Akademie nach außen
heraustritt und sicli des Interesses weiterer Kreise dankbar freuen
darf, dann wird er, wie es auch dem Vertreter jeder anderen
Spezialwissenschaft erlaubt wäre, nicht solche Detailarbeit als
Probe vorlegen, sondern für ein Allgemeineres zu interessieren
sucben und womöglich eine Frage aufwerfen, die mit der gegen-
wärtigen Stellung seiner Wissenschaft zu dem geistigen Ge-
samtleben enger zusammenhängt.
Versuche ich derartiges, so reizt. es mich heute, über eine
Tatsacbe Rechenschaft zu geben, die wohl jedem auffällt, der
sich einigermaßen mit der gegenwärtigen Philosophie, mit ihrem
literarischen und akademischen Betriebe beschäftigt, eine Tat-
sache, die dabei überall eine gewisse Verwunderung erweckt:
das ist die Erneuerung des Hegelianismus.
Diese Tatsache kann man nicht verkennen, und man soll
sie nicht unterschätzen. Sie bedeutet mehr als eine Mode des
Tages. Hegel erfährt, wie Kant, im Wechsel der Generationen
den Wechsel der Anerkennung, und zwar in noch extremerer
Weise. Begeistert einst von einer ganzen Generation empfangen —