Die Erneuerung des Hegelianismus.
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Die dialektische Methode hängt. somit auf das Cfenaueste
mit der metaphysischen Hypostasierung der Ideen zusammen,
und so sehr wir die Feinfühligkeit und den bohrenden Tief-
sinn, vor allem aber die Zähigkeit der begrifflichen Arbeit. he-
wundern mögen, mit der Hegel, namentlich in dem Filigran-
werk seiner Logik, einzelne Zusammenhänge genia.l aufgedeckt
hat, so wenig kann doch solche Dialektik als Cfanzes wieder die
Methode der Philosophie hilden. Deshalb wird die Philosophie,
wenn sie als eigene Wissenschaft eine Spezialforschung iiber
die hegriffliche Struktur alles Kulturbewußtseins sein will, starken
Anlaß haben, sich den formalen Eigenarten und Unarten ehen-
so wie den metaphysischen Neigungen des Hegelianismus gegen-
über äußerst vorsichtig zu verhalten. Aber ich glaube doch ver-
ständlich gemacht zu haben, wie sehr einerseits die Erneuerung
des Hegelianismus, die wir erleben, aus clen Weltanschauungs-
hedürfnissen zu hegreifen ist, die von außen her als gebieterische
Anforderungen an die lreutige Philosophie herantreten, und wie
intim andererseits die Beziehungen der Hegelschen Begriffs-
arbeit zu den eigensten Aufgaben der wissenschaftlichen Philo-
sophie selbst sind.
Eines aber möchte ich zum Schluß auch nicht unerwähnt
lassen. Aus der aufgeregten und leidenschaftlich zerrissenen
geistigen Lage, in der wir stehen, tönt uns in lauter Vielstimmig-
keit der Ruf nach einer Philosophie der Tat und des Willens
entgegen. Ja, in einer schwer begreiflichen Selbsttäuschung ver-
langt wohl gar eine solche Philosophie von sich selbst, sie solle
die Vernunftwerte nicht suchen oder verstehen, sondern gesetz-
gebend neu erzeugen. Diesem Treiben gegenüber kann die Ver-
senkung in den gewissenhaften Ernst, mit dem die Hegelsche
Philosophie die Vernunft in der Welt bis in das Einzelnste hinein
zu verstehen und begrifflich herauszuarbeiten sucht, — kann die
Erneuerung dieser mühseligen Forscherandacht zum Kleinen,
die doch aus dem Großen lieraus denkt, nur eine wohltätig
erzieherische Wirkung haben. Vor allem aber wird sie geeignet
sein, den Zusammenhang der Philosophie mit den übrigen Einzel-
wissenschaften wieder so innig und fruchtbar zu gestalten, wie
er in Hegels Zeiten — nicht zum Nachteil von beiden — ge-
wesen ist.
42Ü-K LW
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Die dialektische Methode hängt. somit auf das Cfenaueste
mit der metaphysischen Hypostasierung der Ideen zusammen,
und so sehr wir die Feinfühligkeit und den bohrenden Tief-
sinn, vor allem aber die Zähigkeit der begrifflichen Arbeit. he-
wundern mögen, mit der Hegel, namentlich in dem Filigran-
werk seiner Logik, einzelne Zusammenhänge genia.l aufgedeckt
hat, so wenig kann doch solche Dialektik als Cfanzes wieder die
Methode der Philosophie hilden. Deshalb wird die Philosophie,
wenn sie als eigene Wissenschaft eine Spezialforschung iiber
die hegriffliche Struktur alles Kulturbewußtseins sein will, starken
Anlaß haben, sich den formalen Eigenarten und Unarten ehen-
so wie den metaphysischen Neigungen des Hegelianismus gegen-
über äußerst vorsichtig zu verhalten. Aber ich glaube doch ver-
ständlich gemacht zu haben, wie sehr einerseits die Erneuerung
des Hegelianismus, die wir erleben, aus clen Weltanschauungs-
hedürfnissen zu hegreifen ist, die von außen her als gebieterische
Anforderungen an die lreutige Philosophie herantreten, und wie
intim andererseits die Beziehungen der Hegelschen Begriffs-
arbeit zu den eigensten Aufgaben der wissenschaftlichen Philo-
sophie selbst sind.
Eines aber möchte ich zum Schluß auch nicht unerwähnt
lassen. Aus der aufgeregten und leidenschaftlich zerrissenen
geistigen Lage, in der wir stehen, tönt uns in lauter Vielstimmig-
keit der Ruf nach einer Philosophie der Tat und des Willens
entgegen. Ja, in einer schwer begreiflichen Selbsttäuschung ver-
langt wohl gar eine solche Philosophie von sich selbst, sie solle
die Vernunftwerte nicht suchen oder verstehen, sondern gesetz-
gebend neu erzeugen. Diesem Treiben gegenüber kann die Ver-
senkung in den gewissenhaften Ernst, mit dem die Hegelsche
Philosophie die Vernunft in der Welt bis in das Einzelnste hinein
zu verstehen und begrifflich herauszuarbeiten sucht, — kann die
Erneuerung dieser mühseligen Forscherandacht zum Kleinen,
die doch aus dem Großen lieraus denkt, nur eine wohltätig
erzieherische Wirkung haben. Vor allem aber wird sie geeignet
sein, den Zusammenhang der Philosophie mit den übrigen Einzel-
wissenschaften wieder so innig und fruchtbar zu gestalten, wie
er in Hegels Zeiten — nicht zum Nachteil von beiden — ge-
wesen ist.
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