Über zwei sich entsprechende Trilogien des Euripides.
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Phoenissen, wie der alte biinde Ödipus — der einst unwissentlich
seinen Vater Laios tötete und seiner eigenen Mutter Iokaste Gatte
wurde, der dann über die gemeinsamen Söhne den Fluch aus-
gesprochen liatte — die Erfüllung und die Folgen seines Fluches
erlebt. Noch eindringlicher verfolgen wir von Anfang an, wie die
unglücklichö Mutter Iokaste 46) sich vergeblich bemüht, bei der Zu-
sammenkunft der feindlichen Brüder — in der berühmten grohen
Streitszene — eine Versöhnung herbeizuführen, den Zweikampf der
beiden zu hindern, und wie sie sicli, nach dem Zweikampf und Tod
der Söhne, selbst den Tod gibt. Kreon aber will seinen, zur
Sühne für die Stadt von Teiresias als Opfer geforderten Sohn Me-
noikeus nicht verlieren; er sucht ilm zur Flucht zu bewegen: cler
aber, in edler Täuschung des Vaters, stürzt, sich erstechend, frei-
willig von der Mauer in die Drachenhöhle des Kadmos, und der
Vater muß des jungen Sohnes Tod beklagen. Endlich, da der nun-
mehrige König Kreon clen Ödipus Landes verweist und die Be-
stattung des Polyneikes verbietet, geht clie gute Tochter uncl
Sehwester Antigone, die Braut seines Sohnes Haemon, mit dem
Vater ins Elend, läßt Vaterland und Bräutigam im Stich und steht
mit dessen Vater im Streit, weil sie den Bruder nicht unbestattet
lassen will.
AIs einer von vielen — schon im Altertum selbst beginnt
neben hohen Lobsprüchen dieses Urteil — sieht G. Bernhardy in
clieser Handlung oder diesen Handlungen eine verschwenderische
Häufung, zwecklose Dehnung durch Episoden und äußerliche Zu-
sammenfügung 47), uncl er meint: „Euripides tut nichts, um solche
Massen in der Einheit eines höheren Grundgedankens zu sammeln,
sondern begnügt sich mit dem Rüstzeug eines historischen Schau-
spiels“. Nun, diesen angeblich fehlenden Grundgedanken haben
wir vorhin für die Phoenissen wie für die beiden vorausgehenden
46) Treffend bemerkt Weil a. a. 0., S. 126, daß Euripides Iokaste
nicht nach der Enthüllung des Greuets sich ermorden, sondern den Streit
der Söhne erleben läßt und erst danach im Felde sterben, unter Veränderung
der in der Odyssee angedeuteten, von dem Maler Onasias zur Zeit des Po-
lygnot (Paus. IX, 5, 11) dargestellten Sagenwendung, nach der Eteokles und
Polyneikes die Söhne der zweiten Gemahlin des Ödipus, Euryganeia, waren,
und diese so endete. Allein auch diese Veränderung liegt doch eben in der
von uns verfolgten Richtung.
47) Wilamowitz (Hermes XXXII, 1897, S. 390, 392, Anm. 2) will
diese Episodenhaftigkeit daraus erklären, daß Euripides hier auf die ar-
chaische Tragödientechnik zuriickgegriffen habe — höchst unwahrscheinlich.
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Phoenissen, wie der alte biinde Ödipus — der einst unwissentlich
seinen Vater Laios tötete und seiner eigenen Mutter Iokaste Gatte
wurde, der dann über die gemeinsamen Söhne den Fluch aus-
gesprochen liatte — die Erfüllung und die Folgen seines Fluches
erlebt. Noch eindringlicher verfolgen wir von Anfang an, wie die
unglücklichö Mutter Iokaste 46) sich vergeblich bemüht, bei der Zu-
sammenkunft der feindlichen Brüder — in der berühmten grohen
Streitszene — eine Versöhnung herbeizuführen, den Zweikampf der
beiden zu hindern, und wie sie sicli, nach dem Zweikampf und Tod
der Söhne, selbst den Tod gibt. Kreon aber will seinen, zur
Sühne für die Stadt von Teiresias als Opfer geforderten Sohn Me-
noikeus nicht verlieren; er sucht ilm zur Flucht zu bewegen: cler
aber, in edler Täuschung des Vaters, stürzt, sich erstechend, frei-
willig von der Mauer in die Drachenhöhle des Kadmos, und der
Vater muß des jungen Sohnes Tod beklagen. Endlich, da der nun-
mehrige König Kreon clen Ödipus Landes verweist und die Be-
stattung des Polyneikes verbietet, geht clie gute Tochter uncl
Sehwester Antigone, die Braut seines Sohnes Haemon, mit dem
Vater ins Elend, läßt Vaterland und Bräutigam im Stich und steht
mit dessen Vater im Streit, weil sie den Bruder nicht unbestattet
lassen will.
AIs einer von vielen — schon im Altertum selbst beginnt
neben hohen Lobsprüchen dieses Urteil — sieht G. Bernhardy in
clieser Handlung oder diesen Handlungen eine verschwenderische
Häufung, zwecklose Dehnung durch Episoden und äußerliche Zu-
sammenfügung 47), uncl er meint: „Euripides tut nichts, um solche
Massen in der Einheit eines höheren Grundgedankens zu sammeln,
sondern begnügt sich mit dem Rüstzeug eines historischen Schau-
spiels“. Nun, diesen angeblich fehlenden Grundgedanken haben
wir vorhin für die Phoenissen wie für die beiden vorausgehenden
46) Treffend bemerkt Weil a. a. 0., S. 126, daß Euripides Iokaste
nicht nach der Enthüllung des Greuets sich ermorden, sondern den Streit
der Söhne erleben läßt und erst danach im Felde sterben, unter Veränderung
der in der Odyssee angedeuteten, von dem Maler Onasias zur Zeit des Po-
lygnot (Paus. IX, 5, 11) dargestellten Sagenwendung, nach der Eteokles und
Polyneikes die Söhne der zweiten Gemahlin des Ödipus, Euryganeia, waren,
und diese so endete. Allein auch diese Veränderung liegt doch eben in der
von uns verfolgten Richtung.
47) Wilamowitz (Hermes XXXII, 1897, S. 390, 392, Anm. 2) will
diese Episodenhaftigkeit daraus erklären, daß Euripides hier auf die ar-
chaische Tragödientechnik zuriickgegriffen habe — höchst unwahrscheinlich.