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Schoell, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 15. Abhandlung): Über zwei sich entsprechende Trilogien des Euripides: mit Bemerkungen zur Tetralogie des attischen Theaters — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32161#0028
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28

Fritz Schöll:

mußte sie fliehen, und fand an dem Sikyonier Epopeus einen Schützer
und Gemahl. Aber als Nykteus vor Kummer bald zum Sterben
kam, übergab er seinen Thron und seine Rache dem Lykos. Dieser
kam, tötete Epopeus und schleppte Antiope als Gefangene heim.
Unterwegs gebar sie Zwillinge in jener Grotte, an der Grenze von
Attika und Böotien, zwischen Eleutherai und Oinoe, und ließ die
Säuglinge dort zurück. Ein Hirt. Sklave des Athenerkönigs Oineus
(des Sohnes Pandions), fand die Kinder und zog sie wie eigene
mit seinem Weibe, als Zethos und Amphion, groh. Indessen wurde
die gefangene und gefesselte Antiope noch mehr von der eifer-
süchtigen Gattin des Lykos, Dirke, als von diesem selbst grausam
behandelt. Vor der Wohnung jenes Hirten spielt. das Stück. Nach
dem Prolog und der Parodos des Chores 52) tritt Amphion auf: er
hat von Hermes die von ihm erfundene Lvra bekommen, und zu

52) Über den Chor haben vvir das ausdrückliche, genaue Zeugnis im
Scholion zu Hippolytos 58 : dv rf) 'AvTiönp büo xopoü<; eiodyet, xöv xe Gpßatuuv
YepövTUiv biöA.ou vcai töv peTÜ 0nßrjq fj Atpxri<;. Mit dieser Bezeichnung des Haupt-
chors schien unvereinhar die Angabe des Cicero (de divin. II, 133), welcher, nach
der Pacuvianischen Wiedergabe von Amphions rätselhafter Bezeichnung seiner Lyra,
sagt, die „Attici“ hätten darauf erwidert: ,non intellegimus, nisi si aperte dixeris“.
Durch andere Überlieferung kennen wir die gewählteren Worte der Ver-
wunderung : „ita saeptuosa dictione abs te datur, quod coniectura sapiens
aegre contuit“. Man fügt den Ciceronischen Yers als dritten zu diesen :
,,ita“ würde sich besser noch an einen vorhergehenden anschließen. Die
abweichende Chorbenennung hat viel Kopfzerbrechen gemacht : Bothe wollte
„attice“, Orelli „astici“ (was viel Beifall fand), Welcker „bacchici“,
Hartung und Bergk „rustici“ ; Baiter wollte „attici“ als Glossem tilgen,
während Taccone verschiedene Lösungsversuche aufstellt, von denen ihn
selbst wohl keiner befriedigt. Weil dagegen wollte „Attici“ belassen und
vielmehr im Scholion Oqßaiujv in ’Adr|vaiuuv verwandeln, um so melir, als
der Chor nach den neuen Fragmenten den König Lykos nicht kennt. Allein
ohne weiteres konnten am Ort der Handlung weder yepovTe<; ’Aürivaioi
noch Oqßaioi nuftreten: 'und auf mit dem Ort nicht vertraute weist auch,
daß sie die von Amphion stets gespielte Lyra nicht kennen noch je gehört
haben. So mochte Euripides den Chor mit besonderer Motivierung einführen,
ähnlich wie die Phoenissen in Theben. An sich ist aber nicht nur die
genaue Angabe des Scholiasten glaubwürdiger, sondern für Cicero, der ein
paa.r Zeilen vorher geschrieben hatte „mea causa me mones, quod non in-
tellegam“. bietet sich die Erklärung, daß er bei seinen „Attici“, die sagen
„non intellegimus“, überhaupt nicht an den Chor gedacht hat, sondern an
die athenischen Zuhörer, denen Euripides - Amphion sein Rätsel aufgab ;
wie Cicero vorher auf die Fremdvölker, die im Senat ohne Dolmetscher nicht
verstanden werden,• Bezug genommen hatte, und auf Dichter, wie Euphorion,
Philosophen, wie Heraklit, die Erklärer nötig haben.
 
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