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Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 6. Abhandlung): Niobiden — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32152#0029
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Niobiden.

29

Statuette Abb. 11 wircl wohl manchem die Erinnerung an die
Maenade des Skopas auflauchen. Daß unser Pädagoge dem der
Florentiner Gruppe entspricht und was wir daraus für sein Vor-
bandensein in einer Originalkomposition lernen, sahen wir schon
oben. So deutet alles auf eine Gruppe des vierten Jahrhunderts
als auf das Original, nach dem unsere Terrakotten gefertigt
worden sind, und zwar in die letzten Zeiten desselben, denn
sie hat zur Voraussetzung, daß Praxiteles und Skopas bereits
gelebt haben und ihr Wirken schon einen nachhaltigen Eitidruck
hervorgerufen hat. Ein großer Künstler ist es nicht gewesen,
der diesen Niobidenzyklus schuf, aber er hat es verstanden,
aus mehreren bekannten Typen eine Komposition zusammen-
zuste]len und wir können daraus lernen, daß unsere Niobiden-
überlieferung sehr dissipat 63) und keineswegs einheitlich ist,
denn man darf nicht nur mit den Gedanken der großen Meister
rechnen, sondern muß auch deren Wirkung auf kleinere Geister,
auf Provinzialgrößen berücksichtigen. Es rnag ein unteritalischer
Künstler gewesen sein, der den Zyklus schuf, welchen dann
ein Töpfermeister aus Canosa nachbildete, um seinen Vasen
einen für ihre sepulkralen Zwecke geeigneten Schmuck zu A/er-
leihen. 64)

Zwei ganz neue Typen darf ich hier noch anfügen. Sie
fmden sich auf einem echt aretinischen Sigillatafragment der
Universitätssammlung in Heidelberg (Taf. IIb). 65) Erhalten sind
zwei weibliche Gestalten und der an den Kopf erhobene r. Arm
einer dritten nach rechts eilenden. Im Hintergrund deuten zwei
Pfeiler mit Architrav ein Gebäude an; von der Dekoration ist.
oljen der Rest, eines Streifens kleiner Blätter, unten von freieren
Ranken erhalten.

Fast ganz erhalten ist die mittlere Figur. Mit vorgestreckten
Armen eilt sie nach rechts, den Kopf zurückwendend. Ihre Be-

63) Das zeigen schon die vollzählig bei Shebelew abgebildeten süd-
russischen Figuren.

G4) Unter den Kalksteinreliefs aus der Metropole von Sla. Lucia im
Museo nazionale in Tarent glaubt F. von Duhn (nacli frdl. Mitteilung) mit
Sicherheil. wenigstens ein, vielleicht drei Kinder der Niobe zu erkennen,
welche also ehenfalls in den Kreis unserer apulischen Figuren hineingehören
würden. — Zu dem Pompejanischen Gemälde, Ber. cl. sächs. Ges. d. W
1883, Taf. 3, hat sich vor kurzem in Pompeji ein vollständiges Pendant
gefunden.

65) In Rom gekauft. Nach einer von C. Anselm gefertigten Pholographie
hier abgebildet. Vgl. das Sigillatarelief Abb. 15 u. Anin. 43.
 
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