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Boll, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 1. Abhandlung): Griechische Kalender: 2. Der Kalender der Quintilier und die Überlieferung der Geoponica — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32163#0022
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14

Kranz Boll:

pitelüberschriften der Geoponica kein Verlaß ist: sie widersprechen
zum Teil den Angaben im Text und sind daher als Ausgangspunkte
für eine Quellenuntersuchung der Geoponica nicht zu gebrauchen.
Sie rühren nicht von Cassianus Bassus her, sondern, wie Oder
glaubte, erst von dem Redaktor des 10. Jahrhunderts, cler das
Widmungsschreiben an den Kaiser Konstantinus Porphyrogennetos
an die Spitze des Ganzen stellte. Dagegen hat G. Pasquali 18)
neuestens zutreffend, wie ich glaube, gezeigt, daß diese Lemmata
cloch schon älter sein müssen, und sie einem Bearbeiter zwischen
Gassianus Bassus und dem byzantinischen Redaktor, also zwischen
etwa 600 und 950, zugeschrieben. Daß Gassianus Bassus selbst in
der Tat keine solchen Kapitelüberschriften mit Autorennamen ge-
geben hatte, dafür spricht deutlich, daß auch sein eigener Name
unter den Autorenlemmata vorkommt (zu V 6 und 36: Kaoiavou). 19)

Alle cliese Tatsachen können freilich die Hauptfrage doch nur
zurückschieben, nicht erledigen, woher denn nun jener Lemmatist
seine Kapitelüberschriften nahrn. Hat er wirklich sich lediglich das
kindische Vergnügen gemacht, zu jedem Kapitei einen beliebigen
Namen zu setzen, oder hat er irgendwelche anderweitige Kenntnis
zu Hilfe genommen? Denn daß er bewußt und absichtlich ge-
fälscht habe, hat noch niemand behauptet. Was die Lemmata
ais Verfasser nennen 20), sind zur größeren Hälfte genau die gleichen,
die uns auch durcli den Text der Geoponica (Vorrede zu Buch I)
und durch Photios als die wirklichen Queilen verbürgt sind; und
auch die übrigen Namen haben nichts Schwindelhaftes an sich.
Der Lemmatist also woRte doch offenbar nicht erfmden, sondern
glaubte Belehrung geben zu können. 21) Daß er dabei sicli sehr oft
versehen und geirrt hat, ist natürlich nicht von vornherein aus-
zuschliefaen, ja unter allen Umständen wahrscheinlicher als das
Gegenteil; dab er aber seine Angaben sich einfach aus den Fingern
gesogen haben sol), ist keine glaubliche Zumutung. Die wechsel-

1S) Doxographica aus Basiliusscholien, Nachr. Gött. Ges. d. Wiss., Phil.-Hist.
Kl. 1910, S. 212 ff.

19) Oder, Bh. Mus. 48, 24.

20) Vgl. die Übersichl von Oder in Wissowa-Krolls R.-E. VII, 1221 f.

21) Wenn er I 13 TTept 'HMou koi ZeAtjvpi;. TTToAeualou öberschreibt, so
ist natürlich das Sotionzitat dabei nicht einbezogen. Der erste Satz ist gleich-
falls, soviel ich sehe, kein wirkliches Zitat aus Ptolemaios; aber er beriihrt sich
sehr nahe mit den charakteristischen Grundlagen seiner Astrometeorologie (Te-
trab. I, 4) und kann recht wohl in Verbindung mit einem Scliriffsteller gebracht
werden, der ihn benutzt und zitiert hat.
 
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