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Schubert, Hans von; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 3. Abhandlung): Die Anfänge des Christentums bei den Burgundern — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32165#0031
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Die Anfänge des Christentnms bei den Burgundern.

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dezimierte Volk nicht von dem Westgoten Theoderich einen Fürsten
aus edelstem Blute hahen schenken lassen? Wir wissen, daß der
zweite Theoderich den besiegten Sueven einen seiner „Klienten“, der
ein Varne war, zum Präfekten setzte, und dafi dieser Agrivulf oder
Ajulf sich dann zum König der Sueven aufsclrwang.37) Als König
Gundioks Name zuerst auftaucht, 456, befmdet er sich auf dem
Wege zum Bündnis mit den Westgoten. Er mochte damit realisiert
liaben, was der weitschauende Theoderich I., unter dem sich das
Westgotenreich zuerst die Selbständigkeit vom Reich errang, hegehrt
hatte, als er den Burgundern hilfreich war, sich eine neue Zukunft
unter einem neuen starken Geschlecht aus seinem eigenen Stamme
zu bauen. Gewiß, das muß alles nicht so gewesen sein, aber die
des deutscben Nibelungenliedes, in der sie immer noch „die geschicMlichste der
deutscben Heldensagen“ (Heusler) ist, vielleicht in frühfränkischer Zeit aus einem
— namentlich als Führer von Hunnen! — unverständlich gewordenen Römer
Aetius der große Hunnenfürst Attila und im Zusammenhang damit aus dem ver-
gessenen westgotischen Theoderich der weit berühmtere ostgotisclie geworden sein,
mit dem ostgotische Überlieferung (Roethe, S. 669) Attiia zusammengekoppelt batte.
Daß in unserem Lied die Burgunder alte Freundschaft mit Dietrich verbindet und
Dietrich mit Etzel (der nach C friiher Christ gewesen! ed. Zarncke 192; 3) das letzte
Wortbehält, könnte noch auf die älteste Forrn und auf die Entstehung in gotischen
Kreisen am glänzenden Hofe zu Toulouse weisen, an dem, wie wir aus der ge-
nauen Schilderung des Apoll. Sid., ep. 1, 2 wissen, zur königlic-hen Tafel Lieder
zum Saitenspiel vorgetragen wurden (rege solum illis fidibus delenito, quibus non
minus mulcet virtus animum quam cantus auditum), vgl. die Ehrengesänge bei der
Bestattung Theoderichs I. auf der katalaunischen Wahlstatt, Joi’d. 214, den Vortrag
auch westgotiseher Stoffe bei den ostgotischen Amalern, ib. 43, die barbarischen
Pihapsoden am Hofe Attilas, clie Priscus 448 börte (ed. Bonn. p. 205), dazu die
Gesänge zur Harfe bei den Mahlen der Burgunder selbst, Apoll. Sid. carm. XII,
6ff. In diesern gotisch-burgundischen Ivreis sind wolil zuerst auch über die Vollcs-
tragödie der stammverwandten Burgunder carmina paene historico ritu (Jord. 28)
gesungen worden, ehe die Kunst bei den Franken Pflege fand (vgl. die Entsendung
des gotischen Kitharoeden von Theoderich zu Chlodwig zur Besingung der fränk.
Großtaten, Cass. Var. II, 40) und hier der Sang bereichert wurde durch fränkische
Sage und nordischen Mythus, Siegfried- und Nibelungenstoff, bis endlich der durch
Karl d. Gr. (Einh. vita Kar. 29) aufbewahrte Liederschatz durch gelehrt-klerikale
Bearbeitung unter Sachsen und Franken und volkstiimliche Wiedergeburt unter
den Staufern zu dem deutschen Volksepos wurde, in dem aile Stimmen der Vor-
zeit zusammenklingen. Und zwar ist der erste Sang gewiß der unmittelbaren Er-
griffenheit entquollen, die das Drama, schon für das Chron. Gall. ein memo-
rabile bellum, bei den Zeitgenossen hervorgerufen, also bevor sich die Burgunder
zu neuer Blüte emporgearbeitet und längst bevor es einen Dietrich von Verona
gegeben (vgl. auch Zarncke, Nib.6 praef'. IV).
37) Jord. Get. 233 ed. Mommsen, Mon. Germ. auct. ant. V, 117io, vgl. Hydat.
chron. ad a. 457, ib. Xf, 30.
 
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