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Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 9. Abhandlung): Eros und Psyche — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32171#0033
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Eros und Psyclie.

3S

an das Vorbild der lokrischen Vorstellung der Tarentiner Meister,
um das Schweben verständlicher zu machen, der Peitho Fittiche
geliehen habe. Zwar dürfen wir diese herrliche Komposition für
das Werk eines ganz großen Künstlers halten, aber ich meine,
daß sie durch das doppelte Flügelpaar nichts gewinnt, daß die
Innigkeit der Zusammenfügung durch ein flügelloses, vom lvnaben
halb geleitetes Mädchen nocli erhöht werden würde.

Unter den Flügekjungfrauen der Antike also müssen wir Um-
schau halten, üm den Namen der unsrigen richtig zu ermitteln.

Früher würde niemand daran gezweifelt haben, in ihr Psyche
zu sehen, die man sich als stete Gesellin des Eros vorgestellt
hatte. Doch kann man am Ende des fünften Jahrhunderts noch
kaum voneiner Vereinigung von Eros und Psyche sprechen. Vor
allen Dingen müßte ja eine glückliche Verbindung beider, von
Aphrodite freudig begrüßt, Voraussetzung sein. Diese Vereinigung
aber fmden wir erst bei Apulejus, und in einen ähnlichen Zu-
sammenhang mit Aphrodite werden Eros und Psyche sonst nie-
mals gebracht. 166)

Dürfen wir dem am Anfang dieser Schrift dargelegten Ent-
wicklungsgange der verschiedenen Zusammenstellungen von Eros
und Psyche folgen, so kann dieses Mädchen mit den Flügeln
des Vogels am Ende des fünften Jahrhunderts Psyche nicht sein.

Da wir den Liebesgott nun aber bereits in naher Verbindung
mit sterblichen Mädchen und der göttlichen Peithö gefunden
ha.ben, brauchen wir kein Bedenken zu tragen, ihn, wie es seinem
Wesen entspricht, auch noch anderen göttlichen Mädchen zu-
gesellen. Unter diesen bieten sich, von gar nicht in Betracht
kommenden wie Eris und den Erinyen abgesehen, drei: Iris, Eos
und Nike,

Gerade bei Betrachtung dieser Gestalten kommt uns ein
Mangel der griechischen Kunst so recht zum Bewußtsein, der
uns verstehen lehrt, warum, auch zu unserem, der Nachgeborenen,
Nutzen, dem antiken Verwender der tönernen Gebrauchsgefäße
Namensbeischriften oft sehr erwünscht sein mußten. Zwar h'at
man von den „Götteridealen“ gehandelt, und Brunns wunder-
volles Buch gehört zu den schönsten Werken unserer Wissen-
schaft ; aber es ist neuerdings scharf und mitRecht betont worden,
mit wievielen Mitteln äußerer Charakterisierung zu arbeiten der

166) Eros und Psyc.he als gemeinsame Gefährten der Aphrodite sind
selten naclizuweisen. Ich nenne Robert, Sarkophage, III, 1, XXIV".

Sitzungsberichte cler Heidelh. Akaderciie, pbil.-hist. Kl. 1911. 9. Ahh. 3
 
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