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Schwally, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 17. Abhandlung): Beiträge zur Kenntnis des Lebens der mohammedanischen Städter, Fellachen und Beduinen im heutigen Ägypten — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32892#0004
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Friedrich Schwally:

nem Belieben einzurichten. Namentlich in den Häusern angesehener
Personen, in denen vom frühen Morgen bis zum späten Abend
die Besucher kommen und gehen, ist der Gast nur selten imstande,
etwas für sich zu lesen oder zu schreiben. In Ermangelung anderer
Möbel als Divane, Sessel und Spiegel muß er sein ganzes Hab
und Gut beständig im Koffer verwahrt halten. Erst spät am
Abend, wenn kein Besucli mehr zu erwarten ist, kann der Diener
Matratze (martabe), Bettuch ('miläje), Kopfkissen (mahadde) und
Decke (lihaf) bringen, um auf dem Boden des Zimmers dem Def
das Lager zu bereiten. Am Morgen werden diese Gegenstände
wieder zusammengerollt und in einen fmsteren Winkel geworfen.
Sind zwei oder mehr Gäste in einem Hause, so kommt alles Bett-
zeug morgens auf einen Haufen, was sehr oft zu unliebsamen
Vertauschungen führt.
AIs ich mich eines Tages rasierte, sah man mir neugierig,
aber mit unverhohlener Mißbilligung zu. Endlich wandte sich ein
Ägypter an mich mit den Worten: „Was du cla tust, ist nicht
gut, denn es verstößt gegen die Gewohnheit der Muslime“. Ein
dabei sitzender, sehr fanatischer Tatare aus Daghistan bezeichnete
meine Handlungsweise sogar als eb, da Muslime sich nicht selbst
zu rasieren pflegten. Nachdem ich zu meiner Verteidigung angeführt
hatte, daß dies eben die Gewohnheit meines Landes sei und sie
große hygienische Vorteile habe, ließ man mich gewähren.
Die Waschgelegenheit befindet sich niclit in einem Wohnraum,
sondern vor oder neben dem Klosett, und ist für alle männlichen
Familienglieder gemeinsam. Der Gast hat sich also mit diesen
allen in einen Wasserhahnen zu teilen, muß gewöhnlich wie die
andern warten, bis er an die Pmihe kommt, und hat bei seinen
körperlichen Beinigungen neugierige Zuschauer. Nur die religiösen
Waschungen, soweit sie nicht ihrer Natur nach in clen Mustaräli
gehören, dürfen in den Wohnräumen vollzogen werden. Viele
Muslime der niederen Stände wenden gewöhnlich keine andere
Waschung als die rituelle (ivudü) an, nehmen aber dafür alle
8 oder 14 Tage ein Bad.
Der gering entwickelte Sinn für Reinhaltung der Wohnungen
bringt es mit sich, dafä selbst in den Lläusern der besseren Stände
Flöhe und Wanzen, Moskitos und Kleiderläuse schon im Februar
in reicher Fülle vorhanden sind. Vielleicht die größte Sorgfalt wird
auf die äußere Sauberkeit der in den Zimmern liegenden Teppiche
verwandt. Doch muß man sich hüten, darunter zu sehen. Man
 
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