Mohammedanische Städier, Fellachen u. Beduinen im heutigen Ägypten. 5
entblödet sich auch nicht, neben die Teppiche und hinter die
Divane und Sessel zu spucken, oder den Auswurf des Mundes über
die Köpfe einer ganzen Gesellschaft hinweg durcli die offene Türe
in den Korriclor zu schleudern, worin die Einheiraischen eine große
Geschicklichkeit besitzen.
Die Bewegungsfreiheit des Gastes in einem mohammedanischen
Hause ist sehr eingeschränkt. Es wird nicht gern gesehen, wenn
er mit Leuten verkehrt, die zu seinem Gastgeber keine Beziehungen
haben, ocler wenn er Spaziergänge und Ausflüge auf eigene Faust
unternimmt, anstatt sich von Angehörigen der Familie begleiten zu
lassen. Nun sollte man meinen, daß die erwachsenen männlichen
Glieder einer Familie doch einen großen Teil des Tages durch
ihren Beruf in Anspruch genommen sind, so daß der Gast in dieser
Zeit sich selbst überlassen bleiben könnte. Dieser Fall würde
allerdings sehr oft eintreten, wenn die orientalischen Wohnungs-
verhältnisse den unsrigen glichen. Als ich zum erstenmal in
Ägypten weilte, machte ich die Beobachtung, dah die meisten
meiner mohammedanischen Bekannten in auffallend großen und an-
sehnlichen Häusern wohnten. Da sie diese Häuser als ihr Eigentum
bezeichneten, mußte ich den Schlufs zieiien, daß sie wohlhabend
seien. Aber fast jedesmal, wenn ich eine solche Yermutung äußerte,
wurcle sie mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen, ohne daß man
es für nötig hielt, mir eine Aufklärung zu geben. Wie ich erst
später erfuhr, wircl das ägyptische Haus in der Frngel nicht von
einer einzigen Familie, sondern von einer Gruppe venvandter
Familien bewohnt, deren gemeinsamen Besitz es darstellt. LTnter
diesen Umständen und bei dem grofien Kinderreichtum1 cler moham-
medanischen Familien wird sich immer jemand fmden, der clem
Gaste Gesellschaft leisten und so das ersehnte Alleinsein unmöglich
machen kann. Da der Fremde nicht über das Selämlik hinaus-
kommt, so vergehen oft Woclien und Monate, bis er alle männ-
lichen Insassen eines Hauses kennen gelernt hat.
Der Orientale ist ein Freund der Ruhe und bringt es fertig,
einen ganzen Tag auf clem Divan zu hocken und vor sich hin zu
brüten. Das Bedürfnis, spazieren zu gehen oder sich sonst zu
zerstreuen, ist bei ihm nur schwach entwickelt. Ich habe manch-
1 Ich habe in arabischen Zeitungen niemals Mittel angeboten gesehen, welche
den Kindersegen einschränken, sondern nur solche, welche ihn befördern oder er-
gänzen sollen. In den arabischen Geschäftsreklamen der ägyptischen Ärzte findet
man fast regelmäßig den Passus «UJl ~äaJ\ j.
entblödet sich auch nicht, neben die Teppiche und hinter die
Divane und Sessel zu spucken, oder den Auswurf des Mundes über
die Köpfe einer ganzen Gesellschaft hinweg durcli die offene Türe
in den Korriclor zu schleudern, worin die Einheiraischen eine große
Geschicklichkeit besitzen.
Die Bewegungsfreiheit des Gastes in einem mohammedanischen
Hause ist sehr eingeschränkt. Es wird nicht gern gesehen, wenn
er mit Leuten verkehrt, die zu seinem Gastgeber keine Beziehungen
haben, ocler wenn er Spaziergänge und Ausflüge auf eigene Faust
unternimmt, anstatt sich von Angehörigen der Familie begleiten zu
lassen. Nun sollte man meinen, daß die erwachsenen männlichen
Glieder einer Familie doch einen großen Teil des Tages durch
ihren Beruf in Anspruch genommen sind, so daß der Gast in dieser
Zeit sich selbst überlassen bleiben könnte. Dieser Fall würde
allerdings sehr oft eintreten, wenn die orientalischen Wohnungs-
verhältnisse den unsrigen glichen. Als ich zum erstenmal in
Ägypten weilte, machte ich die Beobachtung, dah die meisten
meiner mohammedanischen Bekannten in auffallend großen und an-
sehnlichen Häusern wohnten. Da sie diese Häuser als ihr Eigentum
bezeichneten, mußte ich den Schlufs zieiien, daß sie wohlhabend
seien. Aber fast jedesmal, wenn ich eine solche Yermutung äußerte,
wurcle sie mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen, ohne daß man
es für nötig hielt, mir eine Aufklärung zu geben. Wie ich erst
später erfuhr, wircl das ägyptische Haus in der Frngel nicht von
einer einzigen Familie, sondern von einer Gruppe venvandter
Familien bewohnt, deren gemeinsamen Besitz es darstellt. LTnter
diesen Umständen und bei dem grofien Kinderreichtum1 cler moham-
medanischen Familien wird sich immer jemand fmden, der clem
Gaste Gesellschaft leisten und so das ersehnte Alleinsein unmöglich
machen kann. Da der Fremde nicht über das Selämlik hinaus-
kommt, so vergehen oft Woclien und Monate, bis er alle männ-
lichen Insassen eines Hauses kennen gelernt hat.
Der Orientale ist ein Freund der Ruhe und bringt es fertig,
einen ganzen Tag auf clem Divan zu hocken und vor sich hin zu
brüten. Das Bedürfnis, spazieren zu gehen oder sich sonst zu
zerstreuen, ist bei ihm nur schwach entwickelt. Ich habe manch-
1 Ich habe in arabischen Zeitungen niemals Mittel angeboten gesehen, welche
den Kindersegen einschränken, sondern nur solche, welche ihn befördern oder er-
gänzen sollen. In den arabischen Geschäftsreklamen der ägyptischen Ärzte findet
man fast regelmäßig den Passus «UJl ~äaJ\ j.