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Schwally, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 17. Abhandlung): Beiträge zur Kenntnis des Lebens der mohammedanischen Städter, Fellachen und Beduinen im heutigen Ägypten — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32892#0016
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16

Friedrich Schwally:

und einigen verheirateten Söhnen.1 Die höse Schwiegermutter hat
hier ihre Schwiegertochter in nächster und greifharer Nähe. Dazu
kommen noch die Häkeleien der verschiedenen Schwiegertöchter
untereinander. Den modernen türkischen Romanen dienen die un-
erfreulichen Folgen solch engen Zusammenwohnens nicht selten
als Vorwurf.
Im Zusammenhang mit ihrer vernachlässigten Erziehung sind
die Frauen fast aller Stände clie treuen Hüterinnen aller möglichen
Arten von Aberglauben. Die Frauen uncl Töchter ganz aufgeklärter
Männer sind mit Amuletten behängt. Frauen von studierten
Ärzten suchen ilire Krankheiten durch Zauber und Geisteraus-
treibungen (Zär) zu heilen. Die Furcht vor dem bösen Blicke und
die bekannte Art, Kinder dadurch zu schützen, daß man sie un-
gewaschen, ungekämmt und zerlumpt herumlaufen läßt, habe ich
selbst in den Häusern von Paschas angetroffen.
Die moderne Frauenbewegung in Ägypten hat sich zunächst zum
Ziele gesetzt, das weibliche Geschlecht moralisch und intellektuell
zu heben. Das wird ihr im Laufe der Zeit gewiß gelingen. Viel
schwieriger wird sich der zweite Hauptpunkt ihres Reform-
programmes venvirklichen lassen: die Erschwerung der Ehescheidung
und die Aufhebung der Polygamie. Denn es handelt sich hier um
Einrichtungen, die von der Religion sanktioniert sind.
Wie allgemein hekannt ist, kann der Mohammedaner ganz
nach Belieben und jederzeit seine Frau verstofäen.2 Die Motive,
welche den Mann dazu hestimmen, von diesem Rechte Gebrauch zu
machen, sind meistens egoistischer Natur: sei es, weil die Frau in
längeres Siechtum verfallen ist; sei es, daß die Ivinder, welche sie
geboren hat, jeclesmal bald nach der Geburt gestorben sind, oder
daß sie nur Mädchen zur Welt gebracht hat; sei es, daß der Mann
beabsichtigt, seine Schwägerin zu heiraten, indem das Gesetz ver-
bietet, zwei Schwestern gleichzeitig zu Frauen zu haben.
Über zwei andere Anlässe berichte ich auf Grund persönlicher
Erlebnisse. Ein mir befreundeter Beamter, ein sehr frommer Mann,
vertraute mir eines Tages an, er wolle französisch lernen, und er

1 Trotz die.ses engen Beieinanderwohnens werden aber die von der Religion
und Sitte bestimmten Schranken streng aufrecht erhalten. Ich kenne Briider, die
seit zehn und mehr Jahren unter einem Dache leben, ohne dafa je einer die Frau
des andern unverschleiert gesehen hat.
2 Über eine Scheidung, die eine schwere Verschuldung der Frau voraus-
setzte, ist oben S. 13 berichtet.
 
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