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Schwally, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 17. Abhandlung): Beiträge zur Kenntnis des Lebens der mohammedanischen Städter, Fellachen und Beduinen im heutigen Ägypten — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32892#0017
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Mohammedanische Städter, Fellachen u. Beduinen im heutigen Ägypten. 17
habe gehört, es sei zu diesem Zwecke am besten, eine Französin
zu heiraten. Ich antwortete ihm: „Das Rezept ist nicht schlecht;
aber du bist ja verheiratet und docli wohl nicht reich genug, um
zwei Frauen zu unterhalten. “ Hierauf entgegnete er mir, daß er ja
schon übermorgen geschieden sein könne. Dabei lebte dieser Mann
mit seiner jungen Frau im besten Einvernehmen. Ein andrer meiner
Freunde war nach einem alten und viel befolgten Brauche (vgi.
oben S. 10) zuerst mit einer Base verheiratet. Da hörte er von
einern Mädchen, dessen außerordentliche Klugheit und Bildung das
Stadtgespräch bildete, und bewarb sich um ilrre Fland. Er erhielt
die Zusage, aber nur unter der Bedingung, daß sie alleinige Frau
würde. Daraufhin verstief3 er die Kusine und heiratete den Blau-
strumpf.
Häufig liegt der Scheidung das Verlangen des Mannes nach
Abwechslung oder nach einer jüngeren Gattin zu Grunde, oft auch
nur ein plötzlicher Zornesausbruch oder eine vorübergehende Ver-
stimmung. Da die Mohammedaner bei dem geringsten häuslichen
Zwiste gleich die Scheidungsformel im Munde führen, so kann die
Trennung der Ehe gelegentlich auch gegen ihren Willen zustancle
kommen, vorausgesetzt, daß die Frau die Scheidung annehmen
will und für die dahin gehende Äuberung ihres Mannes vor dem
Kädi Zeugen beibringen kann.
Ich habe oft gesehen, dafi Frauen heulend in die Nachbar-
häuser liefen, uncl als ich nach dem Anlasse frug, erfuhr ich ge-
wöhnlich, clab der Taläk über sie ausgerufen worden sei. In
der Regel werden solche, im Affekt getane Äuberungen wieder
zurückgenommen oder als ungeschehen betrachtet, so daß sie keine
Foigen haben.
Die Mehrzahl der eben dargelegten Motive kann auch die
andere Wirkung haben, dah der Mann zwar seine erste Frau behält,
aber neben ihr noch eine zweite (darra S = Nebenbuhlerin)
heiratet. Diese Zweiehe ist in den mohammedanischen Ländern clie
häufigste Form der Polygamie. Aus diesem Grunde richtet sich die
Polemik der moclernen Reformer, soweit sie mir bekannt geworden
ist, imrner nur gegen die Zweiehe. Dieselbe ist nicht nur bei den
Wohlhabenden, sondern auch in der ärmeren Bevölkerung anzutreffen.
Kleine Handwerker oder Tagelöhner, welche sich diesen Luxus er-
lauben, haben gewöls&lich keine eigene Wohnung, sondern bringen
bei jeder Frau abwechselnd eine Woche zu.
Sitzungs"berichte der Heidelb. Akademie, pbilos.-hist. Kl. 1912. 17. Abh. 2
 
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