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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 3. Abhandlung): Rafael und der Abt Gregorio Cortese — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32878#0007
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Rafael und der Abt Gregorio Cortese.

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vorstellen, wie er fern von der Fieberluft und deni fieberhaften
Treiben Roms auf der herrlich-en, gesunden Riviera-Insel, um-
geben von feingebildeten, frommen Benediktinern, mit Leonardo
um die Paime gerungen hätte. — Frauen brauchte er ja gerade
für das Abendmahl nicht als Modelle.
Sollte sich vielleicht aber doch noch eine weitere Spur einer
Beziehung des Künstlers und des Abtes finden? In den be-
kannten, für die Kunstgeschichte so wichtigen Aufzeichnungen
des Venetianers Michiel, dem sogenannten Anonymus des Morelli,
fmdet sich bei der Beschreibung der venetianischen Bilder eine
heilige Marga.rete verzeichnet, die der Besitzer von Don . . . (hier
fmdet sich im Manuskript eine verhängnisvolle Lücke), Abt von
San Benedetto, erhalten habe, ftir den sie Rafael selber gemalt
habe.6 7) Naclr der eingehenden ausgezeichneten Beschreibung, die
Michiel von dem Bilde gibt, kann kein Zweifel darüber bestehen,
daß es sich um die heilige Margarete der kaiserlichen Gemälde-
sammlung in Wien handelt, die sich von den andern, dem Louvre-
Exemplar entsprechenden Margareten Rafaels sehr unt.erscheidet.6)
Das Bild ist mit soviel anderem venetianischen Besitz in die
Galerie des Erzlierzogs Leopold Wilhelm gelangt. In jenem Meister-
stiick miniaturhaft feiner Malerei, mit dem Teniers das Kabinett
seines fürstlichen Gönners darstellte, steht die heilige Margarete
als bewundertes Hauptstück im Vordergrund. Uns wird das Bild
mit Rücksicht auf seine Farbengebung wie so viele Spätwerke
Rafaels in der Ausführung von der Hand eines Schülers, wohl
Giulio Romanos, gelten.8) Auffallend gebräunt ist. der Teint, hoch-
6) MüNZ, Raphael, p. 560, dagegen wirft z. B. die sämtlichen Marga-
retenbilder als Wiederbolungen zusammen.
7) Quellenschriften zur K.-G., N. F., I, p. 196.
8) Yon der h. Margarete des Louvre berichtet Vasari s. v.: Giulio Romano
(Miianesi V, 525), daß sie fast ganz von G. E..’s Hand nach Rafaels Zeichnung
sei. Von der Wiener Margarete soll sich nach CROWE-CAVALCASELLE sogar
Giulios Vorzeichnung in der Taylor-Kollektion in Harlem befinden. Dagegen steht
die — nirgends angeführte -— Autorität des Zeitgenossen MICHIEL, der aus-
drücklich anführt, daß Rafael sie für den Abt gemalt habe. Freilich in Venedig
verstand man sich schlecht auf Bilder Rafaels. Die Bemerkung MICHIELS
über seine Farbengebung zeigt es: con la carne bruna, come era peculiar al
artefice. Er führt von Originalwerken Rafaels außer der Margarete noch das
Gesandtenbild des Louvre an, damals im Besitz Bembos. Für diese beiden
Gemälde paßt die Bezeichnung des Kolorits, die uns als „peculiar al arte-
fice“ so seltsam erscheint. Jedenfalls aber war die Margarete von Rafael
selber dem ersten Besitzer als Originalwerk übersandt worden.
 
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