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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0003
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I.

Schon oft ist clie Geschiehte der Menschheit einem Strome
verglichen worden, der lange Strecken nicht in stets gerader
Richtung, ohne Lücken oder Sprünge durchfließt. Bleibt man
bei dem Bilde, so ist zuzugeben, daß gegenwärtig wir uns in
einer Stromschnelle hefmden, so groß und mächtig, wie die Erde
bisher noch keine gesehen hat. Zum ersten Male dienen alle fünf
Weltteile zugleich als Theater; alle Schichten der Bevölkerung
beteiligen sich an der Arbeit, und entsprechend groß ist die
Masse des bearbeiteten Stoffes: alles, was die geistigen oder die
materiellen Interessen, sei es des Individuums oder der Verbände,
einschiießlich der Staaten, bei einem Kulturvolke berühren und
bewegen mag. Durohweg wenig Respekt vor der Überlieferung:
nur was sich bewährt hat, soll erhalten bleiben, was sich nicht
bewährt, durch Besseres ersetzt werden.
Chronologisch fällt der Beginn dieser Umgestaltangen noch
in das 18. Jahrhundert: hat schon Friedrich der Große eine Neu-
ordnung in Deutschland angebahnt, so war doch der politische
Einfluß der französischen Revolution bei weitem stärker und
ausgedehnter auf die Verhältnisse der Staaten zueinander, fund
fast noch mehr auf das innere Staatsleben, Stände schaffend,
die man früher auch dem Namen nach nicht gekannt hatte. Aber
in das geradezu Ungeheure sind diese Erfolge doch nur dadurch
gesteigert, daß ungefähr um dieselbe Zeit Entdeckungen und Er-
fmdungen unser Wissen und Können in ungeahnter Weise ge-
mehrt, und uns über die irdischen Naturkräfte eine Ilerrschaft
verliehen haben, der alle menschlichen Lebensverhältnisse unter-
liegen mußten. Noch befmden wir uns inmitten der Schnelle,
wie lange sie anhalten und wohin sie uns führen mag, ist zurzeif
nicht abzusehen, wenngleich wir wohl vermuten dürfen, daß auch
sie ihr Ende fmden ünd von glatter verlaufenden Perioden gefolgt
sein wird.
Naturgemäß isl auch das Recht von dem Strudel dieser Be-
wegung ergriffen worden. Noch in den fünfziger Jahren des

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