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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0022
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E. I. Bekker :

IV.
Docli zurück zum Wissen und zu seinem treuesten Be-
gleiter und hartnäckigsten Widersacher, zum Glauhen. Beide
nehmen Wahrheit für die Produkte ihrer Arbeit in Anspruch,
aber dio Wege, auf denen sie zur Wahrheit zu gelangen suchen,
laufen auseinander. Das Wissen klammert sich mit der ganzen
dem Menschen eigenen Energie an die Wirklichkeit; das Bild,
das sie schaffen will, soll der Wirklichkeit adäquat sein so weit
wie möglich, damit sie ihr Ziel, die Wahrheit, erreicht, ob
diese lieb oder unlieb, nutzbar oder unnütz ausfällt, ist für
das Wissen bedeutungslos. Anders beim Glauben; man glaubt,
was man wünscht, aber auch was man fürchtet; in der stillen
Hoffnung, mit dem Urheher des Fürchterlichen doch noch ein
Abkommen treffen zu können. Der Inhalt des Wissens ist ein
objektiv gegebener, der des Glaubens besteht nie oline Zusatz
subjektiver Elemente, oft stark genug, die Wahrheit zu er-
sticken. Danach bestimmt sich die Art des Suchens nach
Wissen oder nach Glauben; jenes regelt der Verstand, dieses
das Gemüt.
Der Urquell beider ist derselbe, er liegt in dem Triebe, uns
in der uns umgebenden Welt zu orientieren. Sehr zu unserm
Vorteil, wie wir bald einsehen; denn durch diese Orientierung
lernen wir, uns einznpassen in die Umwelt, zugleich aber aucli
die uns angeborenen Kräfte so zu gebrauchen, daß wir eine
Herrschaft über die nächsten kleinsten Stücke dieser Umwelt
gewinnen. Dem Triebe entsprechen die übrigen Anlagen des
„homo sapiens“, inshesondere die Gestaltung der Energie zum
Erkennen. Von dieser wollen wir eine Seite beleuchten, die von
hervorragendem Werte für die Bechtspflege ist.
Die Fähigkeit nämlich, Dinge, auf die wir stoßen, strikt ein-
seitig zu erfassen, gelegentlich auch dasselbe Ding nacheinander
von verschiedenen Seiten, doch im Augenblick stets nur von
einer. So sehen wir im farhigen Billardball bald nur ein rotes
Ding, bald ein Stück Elfenbein, bald die Kugel. Unsere Sprache
ist noch ungelenk, ihr fehlt der präzise Ausdruck für das Etwas,
auf welches wir die Betrachtung einschränken: eine Eigen-
schaft? eine Oualität? oder wie sonst? Und doch ist geracle
diese Fähigkeit von großer Bedeutung: sie ermöglicht, worauf
schon ohen gewiesen worden, das Richtige eines Bildes als
 
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