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K. Hampe:
Welche Zersplitterung war nun doch im Kollegium einge-
rissen! Zwei Ivardinäle in der Idaft Friedrichs II., einer in der
des Senators, drei oder vier Kardinäle in Rom, ebensoviele in
Anagni! Wie konnte da eine einmütige oder auch nur rechts-
gültige Wahl zustande kommen!
Als die bestbefugten Vertreter der Kurie betrachteten sich
begreifticherweise die in Rom verbliehenen Kardinäle. Sie haben
sich zunächst mit dem gefcingenen Johann Colonna in Verbin-
dung gesetzt, der jedoch erklärte, in seinem Iverker habe er kein
freies Wollen oder Nichtwollen; er müsse daher jeglichen Rat
in dieser Sache ablehnen. Darauf richteten sie am 18. November
an die einzelnen Kardinäle in Anagni gleichlautende Schreiben,
welche die kurze, aber sehr dringliche Mahnung enthielten, in
dieser äußersten Notlage die Kirche nicht im Stich zu lassen,
sondern nach Rom zu eilen und sich dort am 22. November mit
ihnen zur Wahl eines neuen Papstes zu vereinigen. Der Wortlaut
dieser Ladung ist nun aufgenommen in jenes wenige 'Tage später
erlassene Antwortschreiben der Kardinäle von Anagni, dem wir
jetzt unsre eindringendere Kenntnis über die ganzen Vorgänge
verdanken.
Mit äußerster Bestürzung und Verwunderung haben jene die
Ladung gelesen, und indem sie sich an die überstandenen viel-
fältigen Leiden erinnern, an Oestank, Hitze, Kerkerelend, Roheiten
und Beschimpfungen, Hunger, Entbehrung und Schmerzen, an
das Hinscheiden des Kardinals Robert und des Papstes, an die
Krankheit der übrigen, die nocli jetzt blaß und schwach aus-
sehen ünd vielleicht den Keim des Todes in sich tragen, an die
Gefangennahme des Colonna unter Bruch der gelobten Sicherheit,
an die schnöde Nichtachtung der gegen den Senator und seine
Helfer geschleuderten Bannsentenz und die völlige Ohnmacht
gegen deren Ausschreitungen, begreifen sie nicht, wie eine freie,
heilbringende und gesicherte Papstwahl in den Mauern Roms
unter solchen Umständen vor sicli zu gehen vermöchte, suchen
vergeblich die kanonische Bestimmung, die das' erheischen könnte,
und lehnen daher den Ruf auf das nachdrücklichste ab. Sollen
sie alle systematisch zugrunde gerichtet werden? Und nun folgt
jene ins Einzelne gehende Schilderung der Schrecken und Leiden
und Widerwärtigkeiten, die oben schon verwertet worden ist.
Sie soll den Standpunkt der Absender begründen und womöglich
auch die römischen Kollegen zu ihm bekehren. Denn am Schluß
K. Hampe:
Welche Zersplitterung war nun doch im Kollegium einge-
rissen! Zwei Ivardinäle in der Idaft Friedrichs II., einer in der
des Senators, drei oder vier Kardinäle in Rom, ebensoviele in
Anagni! Wie konnte da eine einmütige oder auch nur rechts-
gültige Wahl zustande kommen!
Als die bestbefugten Vertreter der Kurie betrachteten sich
begreifticherweise die in Rom verbliehenen Kardinäle. Sie haben
sich zunächst mit dem gefcingenen Johann Colonna in Verbin-
dung gesetzt, der jedoch erklärte, in seinem Iverker habe er kein
freies Wollen oder Nichtwollen; er müsse daher jeglichen Rat
in dieser Sache ablehnen. Darauf richteten sie am 18. November
an die einzelnen Kardinäle in Anagni gleichlautende Schreiben,
welche die kurze, aber sehr dringliche Mahnung enthielten, in
dieser äußersten Notlage die Kirche nicht im Stich zu lassen,
sondern nach Rom zu eilen und sich dort am 22. November mit
ihnen zur Wahl eines neuen Papstes zu vereinigen. Der Wortlaut
dieser Ladung ist nun aufgenommen in jenes wenige 'Tage später
erlassene Antwortschreiben der Kardinäle von Anagni, dem wir
jetzt unsre eindringendere Kenntnis über die ganzen Vorgänge
verdanken.
Mit äußerster Bestürzung und Verwunderung haben jene die
Ladung gelesen, und indem sie sich an die überstandenen viel-
fältigen Leiden erinnern, an Oestank, Hitze, Kerkerelend, Roheiten
und Beschimpfungen, Hunger, Entbehrung und Schmerzen, an
das Hinscheiden des Kardinals Robert und des Papstes, an die
Krankheit der übrigen, die nocli jetzt blaß und schwach aus-
sehen ünd vielleicht den Keim des Todes in sich tragen, an die
Gefangennahme des Colonna unter Bruch der gelobten Sicherheit,
an die schnöde Nichtachtung der gegen den Senator und seine
Helfer geschleuderten Bannsentenz und die völlige Ohnmacht
gegen deren Ausschreitungen, begreifen sie nicht, wie eine freie,
heilbringende und gesicherte Papstwahl in den Mauern Roms
unter solchen Umständen vor sicli zu gehen vermöchte, suchen
vergeblich die kanonische Bestimmung, die das' erheischen könnte,
und lehnen daher den Ruf auf das nachdrücklichste ab. Sollen
sie alle systematisch zugrunde gerichtet werden? Und nun folgt
jene ins Einzelne gehende Schilderung der Schrecken und Leiden
und Widerwärtigkeiten, die oben schon verwertet worden ist.
Sie soll den Standpunkt der Absender begründen und womöglich
auch die römischen Kollegen zu ihm bekehren. Denn am Schluß