Metadaten

Partsch, Josef; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 12. Abhandlung): Studien zur Negotiorum Gestio I. — Heidelberg, 1913

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33055#0058
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
58

Josef Partsch:

Kalumnienrecht der actio injuriarum eng verwandt ist. Bei der
Klage wegen Beleidigung durch Schlag trifft dort den Kläger,
wenn er abgewiesen wird, kraft des den Beklagten freisprechenden
Urteils die Vollstreckung auf den zehnten Teil des Betrags, den
der Kläger selbst im Antrag gefordert hatte. Auch dort ist
kein besonderes Nachverfahren zur Einklagung dieser Summe
nachweisbar 1. Noch bei Justinian wirkt die klassische Bedeutung
des contrarium iudicium nach, wenn er in c. 14 Cod. 7, 45 de
sententiis auch stets ein Urteil gegen den Kläger zulassen will uncl
davon spricht, daß der Kläger ,,in der Umkehrung des Prozeß-
verhältnisses für schuldig befunden würde“ (e contrario obnoxius
fuerit inventus).

Dieselbe Bedeutung der Konträrwirkung, vom Standpunkt
der verba iudicii des Einzelfalls beurteilt, wohnt dem contrarium
in der paulinischen Definition der replicatio als contraria exceptio
inne (D. 44, 1, 22,1). Der Jurist stellt sich dabei die verba iudicii mit
ihrem Aufbau von intentio, exceptio, replicatio vor. Contraria
exceptio ist die replicatio dabei natürlich, weil sie die Exceptions-
wirkung aufhebt, wenn der iudex die replicatio bejaht.

Daß die Klassiker daneben den Ausdruck und Begriff actio
contraria seit uralter Zeit kennen, uncl zwar für eine Klagformel,
welche als. Widerspiel einer anderen gedacht wird, steht damit
nicht im Widerspruch. Es wäre gewagt, dem Ausdruck actio
contraria ein sehr hohes Alter absprechen zu wollen 2. Aber die

1 Dikaiomata, P. Hal. I, S. 115 ff. Dazu Arch. f. Pap.-Forschung
1913 VI, 1. S. 74.

2 Dazu schien Gradenwitz (Interpol. 112) und vielleicht (?) auch
Secicel, Handwörterbuch s. v. contrarius geneigt zu sein, indem er die ge-
wagte Hypothese aufstellte, daß alle Stellen, welche den Ausdruck actio
contraria enthalten, vielleicht interpolationsverdächtig sind, da die Klassiker
ursprünglich contrarium iudicium, nicht contraria actio sagten. Graden-
witz selbst will ja an anderer Stelle (p. VII, S. 121) offen lassen, daß schon
zur Zeit der Severe der Sprachgebrauch degeneriert war. Aber daß in Wahr-
heit der Begriff actio contraria so alt ist wie der Begriff actio selbst, wird
wahrscheinlich, wenn wir schon bei Val. Max (3, 7, 3) offenbar in einer nach
der Prozeßterminologie geprägten Wendung lesen, daß derjenige, welcher
dem Antrag vor der contio, der Tribun solle beim Senat ein Gesuch einbringen,
einen Gegenantrag entgegensetzt, „contrariam actionem ordiri coepit“.
Diese Wendung beweist gewißlich nicht unmittelbar, da hier die actio nur
die „politische Aktion“ ist. Aber die Wendung ist doch vom Zivilprozeß
wohl entlehnt. Auch bei Ulp. D. 8, 5, 8 pr., ist die actio negatoria, welche
der vindicatio servitutis als Konträrklage entspricht, als Konträrklage
bezeichnet, ohne daß wir Verdacht gegen die Echtheit des Textes haben
könnten.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften