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Partsch, Josef; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 12. Abhandlung): Studien zur Negotiorum Gestio I. — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33055#0094
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94

Josef Partsch.

Verwischung der scharfen Grenzen zwischen Tutel und Kuratel,
die Herausbildung eines tutor sive curator, wie ihn die Quellen
nennen, ist also wohl nicht nur ein Resultat des hellenistischen
Vulgarrechtes 1, nicht ausschließlich eine nachträgliche Erfindung
der interpolierenden Byzantiner 2, sondern es ist der charakte-
ristische Niederschlag, den ein lebendiger Rechtsgedanke des
Reichsrechtes selbst in der Rechtssprache ließ. Nur weil in der
Ernennung und im Namen des Vormunds gar nicht scharf zwischen
curator und tutor unterschieden wurde, konnte die bekannte
Streitfrage über den Zeitpunkt, zu welchem die Pubertät ein-
tritt, bis Justinian offen bleiben. Unter anderen Verhältnissen
wäre es notwendig gewesen, den tutor als Unmündigenvormund
vom Minorenkurator zu scheiden und schon deshalb klarzustellen,
ob es auf die Vollendung des 14. Lehensjahres oder auf clie indi-
viduelle Körperbeschaffenheit für die Pubertät ankomme. Wer
diese Tatsache erkennt, wird etwas skeptischer gegen die heutige
Interpolationenforschung sein, die im Godex aus den diokletiani-
schen Reskripten schon deswegen überall den curator heraus-
streicht, weil ein Vormund als tutor vel curator bezeichnet wird,
und das Reskript einen konkreten Tatbestand, in dem es sich
im klassischen Sinne entweder um den tutor oder den curator
handelt, entscheidet 3.

1 Wie Mitteis, Reichsrecht, 218 denken konnte.

2 Wie manche moderne Arbeit der Interpolationenforschung zu glauben
scheint, vgl. oben S. 67 f.

3 Paul Krüger, Festgabe für Güterbock, S. 248, hat neben mehreren
schlagenden Interpolationsannahmen (Cod. 2, 18, 1 — 5, 38, 4 —■5, 41, 1 —
5, 43, 5 — 5, 44, 3 — 5, 54, 2 — 5, 56, 4, 2 — 5, 63, 1,3 — 5, 50, 1, 1) auch
zweifelhafte: Cod. 5, 57, 1, 2 und eine bedenkliche: Cocl. 5, 51, 7, vgl. oben
S. 71 A. 1.

Daß der tutor vel curator schon im Cod. Hermogenianus im diokletia-
nischen Reskript in der Entscheidung des Einzelfalles steht, zeigt consult.
vet. iuriscons. 5, 6 (anno 294). Solazzi hat die Zahl der Interpolations-
nachweise bedeutend vermehrt (p. 83 ff.) und in Cod. 2, 4, 1 — 5, 34, 1 —
5, 37, 3 — 5, 53, 2 — 5, 54, 2 — 5, 55, 2 — 5, 56, 1 — 5, 69, 1 — 9, 1, 2 —
überzeugend die Interpolation nachgewiesen. Aber bei mancher Stelle bleibt
der Zweifel, ob nicht schon der tutor seu curator des dritten Jahrhunderts
genanntwar: Cod. 5, 39, 3 (Solazzi, minore etä91) — Cod. 5, 52, 2 (anno 284).
Und Solazzi spricht (S. 218) kurzweg die Stelle consult. 5, 6 als interpoliert
an, weil ,,vel curator“ ripugna al tenore del rescritto decidente un caso
concreto . . .“
 
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