Studien zur Negotiorum Gestio I.
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Wie Labeo in der Lehre vom Erbschaftserwerb den freien Willen
des bona fide serviens maßgebend sein und daher die aditio here-
ditatis des bona fide serviens nicht wirken ließ, wenn der Schein-
eigentümer sie anbefohlen lratte, so bestritt Labeo auch clas Zu-
standekommen eines Auftrags, wo cler dominus dem bona fide
serviens den Befehl zur Geschäftsführung gegeben hatte. Paulus
wie anscheinend auch Ulpian folgten liierin dem großen Juristen
der augusteischen Zeit. Haftung und Ersatzansprucli nach den
Grundsätzen der ediktalen negotiorum gestio zu behandeln, war
für diese Lehre auch niclrt möglich, wenn wirklich das Edikt
nur für clen voluntarius procurator clen Rechtsschutz verhieß.
Aber entweder Labeo oder erst die spätere Jurisprudenz nalim
gleichwohl zur Rubrik de negotiis gestis ihre Zuflucht. Paulus
soll nach dem justinianischen Texte entschieden haben, negoti-
orum gestorum actio danda est 1. Dabei ist es deutlich, daß hier
die Klassiker jedenfalls nicht die ediktale Formel anwenden
konnten. Paulus betrachtet die Frage als offen, mit welcher
actio der bona fide serviens Aufwendungen aus seiner negotiorum
gestio ersetzt verlangen könne. Als Begründungssatz dafür, daß
jedenfalls die ediktale actio negotiorum gestorum nicht in Betracht
kommen konnte, heißt es bei Paulus, cler bona fide serviens führe
das Geschäft cles Scheineigentümers nicht als dasjenige eines
amicus, sondern als dasjenige seines Herrn (non enim quasi amici
sed quasi domini negotium gessit). Diese Worte gelten mir als
eine sehr wertvolle Bestätigung clafür, daß clie ediktale Rubrik
eben nur dem amicus (vgl. oben S. 13f.), also clem freiwilligen
gestor des absens, die Klage gab. Wenn Paulus trotz dieser Be-
denken entscheiclet: ,,sed negotiorum gestorum actio clanda est“,
so hörte schon Paul Krüger 2 daraus mit Recht heraus, daß
diese actio eine actio utilis gewesen sei. Das hat schon Cuiacius
gelehrt 3, uncl cliese Lehre liatte sich bis ins 19. Jahrhundert er-
X-D. 3, 5, 5, (6) 7 (5): dabitur negotiorum gestorum actio (utilis). D. 3,
5, 18, 2: erit igitur bis obligare possem ist interpoliert. Der Klassiker sprach
auch hier vorn dare einer actio utilis negotiorum gestorum. D. 3, 5, 35 (36):
sed (utilis) negotiorum gestorum actio danda est. Diese actio utilis war wahr-
scheinlich nicht schlechthin gegeben, sondern nur im Notfall. Wenigstens
deutet darauf das Sätzchen: si creditori eius soluta sit in D. 3, 5, 35 (36),
das sicher interpoliert ist, da es schon sprachlich ganz in der Luft steht.
2 Ed. ad h. 1.
3 Rec. sol. in lib. IV quaest. Pauli ad leg. XXXVI de neg. gest. Paratit.
in lib. II Cod. iust. ad tit. XVIII. Rec. in lib. IV prior. Cod. iust. ad tit.
XVIII.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1913. 12. Abh.
7
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Wie Labeo in der Lehre vom Erbschaftserwerb den freien Willen
des bona fide serviens maßgebend sein und daher die aditio here-
ditatis des bona fide serviens nicht wirken ließ, wenn der Schein-
eigentümer sie anbefohlen lratte, so bestritt Labeo auch clas Zu-
standekommen eines Auftrags, wo cler dominus dem bona fide
serviens den Befehl zur Geschäftsführung gegeben hatte. Paulus
wie anscheinend auch Ulpian folgten liierin dem großen Juristen
der augusteischen Zeit. Haftung und Ersatzansprucli nach den
Grundsätzen der ediktalen negotiorum gestio zu behandeln, war
für diese Lehre auch niclrt möglich, wenn wirklich das Edikt
nur für clen voluntarius procurator clen Rechtsschutz verhieß.
Aber entweder Labeo oder erst die spätere Jurisprudenz nalim
gleichwohl zur Rubrik de negotiis gestis ihre Zuflucht. Paulus
soll nach dem justinianischen Texte entschieden haben, negoti-
orum gestorum actio danda est 1. Dabei ist es deutlich, daß hier
die Klassiker jedenfalls nicht die ediktale Formel anwenden
konnten. Paulus betrachtet die Frage als offen, mit welcher
actio der bona fide serviens Aufwendungen aus seiner negotiorum
gestio ersetzt verlangen könne. Als Begründungssatz dafür, daß
jedenfalls die ediktale actio negotiorum gestorum nicht in Betracht
kommen konnte, heißt es bei Paulus, cler bona fide serviens führe
das Geschäft cles Scheineigentümers nicht als dasjenige eines
amicus, sondern als dasjenige seines Herrn (non enim quasi amici
sed quasi domini negotium gessit). Diese Worte gelten mir als
eine sehr wertvolle Bestätigung clafür, daß clie ediktale Rubrik
eben nur dem amicus (vgl. oben S. 13f.), also clem freiwilligen
gestor des absens, die Klage gab. Wenn Paulus trotz dieser Be-
denken entscheiclet: ,,sed negotiorum gestorum actio clanda est“,
so hörte schon Paul Krüger 2 daraus mit Recht heraus, daß
diese actio eine actio utilis gewesen sei. Das hat schon Cuiacius
gelehrt 3, uncl cliese Lehre liatte sich bis ins 19. Jahrhundert er-
X-D. 3, 5, 5, (6) 7 (5): dabitur negotiorum gestorum actio (utilis). D. 3,
5, 18, 2: erit igitur bis obligare possem ist interpoliert. Der Klassiker sprach
auch hier vorn dare einer actio utilis negotiorum gestorum. D. 3, 5, 35 (36):
sed (utilis) negotiorum gestorum actio danda est. Diese actio utilis war wahr-
scheinlich nicht schlechthin gegeben, sondern nur im Notfall. Wenigstens
deutet darauf das Sätzchen: si creditori eius soluta sit in D. 3, 5, 35 (36),
das sicher interpoliert ist, da es schon sprachlich ganz in der Luft steht.
2 Ed. ad h. 1.
3 Rec. sol. in lib. IV quaest. Pauli ad leg. XXXVI de neg. gest. Paratit.
in lib. II Cod. iust. ad tit. XVIII. Rec. in lib. IV prior. Cod. iust. ad tit.
XVIII.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1913. 12. Abh.
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