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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0006
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6

H. Thiei'sch:

Hainen und auf Felsen oder neben den Tempeln und Kapellen
anderer Gottheiten standen ihre Altäre, oft ganz ohne Kultbilder, oder
diese in hochaltertümlichen Forinen (vgl. Roscher, Myth. Lex. II,
3089ff.). Felsen sind demnach ihre natürlichen Sitze auch auf
antiken Darstellungen; Berge, Höhlen und Grotten ihre Wohnung in
der antiken und nachantiken Überlieferung. Die auf dem Felsen
sitzende Spinnerin des Madrider Puteals ist bekannt. Der Felsboden
zu Füßen cler Hauptmoire des kapitolinischen Sarkophages, Müller-
Wieseler, II n. 838 a, und die wohl docli auf Grund antiker Spuren
ergänzte Felsmasse hinter der Moire auf dem Meleagersarkophag,
Robert II, T. 92, ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

Im homerischen Hymnus auf Hermes (v. 552ff.) hausen die drei
Schwestern, mantisch begabt und mit dämonischen Flügeln wie die
Eumeniden ausgestattet, in den Schluchten des Parnassos : oiKia vai-
erdoucnv ütto tttux'i napvi'io'oio. G. Herrmann hat die ausdrückliche
Überlieferung poipai hier in Gpiai „glänzend verbessert“. Es ist auch
ganz richtig, daß alles auf diesen Aminen-Dreiverein des pythischen
Apollo bei ihnen paßt. Aber diese Thriai sind eben doch nur die
spezieil lokal-phokische Nuancierung der auch sonst überall ganz
universell waltenden Moiren.

Daß die Moiren hoch oben an dem mit seinem Scheitel Aphro-
dite geweihten Felskojof von Akrokorinth ihren Kult hatten —
wieder bildlos —, sagt Pausanias II, 4, 7. Daß sie es waren,
welche clie trauernde Demeter aus ihrer versteckten Grotte im
Elaionberge bei Phigaiia wieder hervorbrachten, derselbe Schrift-
steller VIII, 42, 3.

Diese antike Vorstehung von Bergen und Felsgrotten als Sitz
und Wohnort der Moiren hat sich, und zwar geclacht in fernster
Ferne, am Ende der Welt, in Griechenland bis heute gehalten
(Politis, napaböcreK; A', ap. 917). Es ist ein steiler, fmsterer, un-
zugänglicher Berg, auf dem sie hausen: hald Olympos, bald Koroi-
bos, baid gar nicht näher benannt (Politis, a. a. 0. 209, 225, 228,
210, 226), ocler es sincl dunkle Grotten an seinen Abhängen. Die
jungen Mädchen schic-ken durch ihre Amme Honigkuchen in die
Moirenhöhle, clie Schicksaisgöttinnen für sich gut zu stimmen, ocler
sie suchen wie bei Kephissia aus dem Fallen von Steinchen, die
sich von der Wölbung der Grotte oben loslösen, ihre Zukunft zu
erraten. Ähnlich in einer Grotte, clie vielleicht dieselbe ist, in welche
nach Pausanias X, 38, 12 schon im Altertum die Frauen und Witwen
gingen, um sich dort von „Aphrodite“ T«hOi; zu erbitten. Auch
 
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