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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0013
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Zur Deutung der erhaltenen Figuren vom Parthenon-ostgiebel.

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haben meistens die gleiche Gesinnung, während die dritte sicli oft
nicht in den Willen der anderen fügen will. So galten auch ihrer
zwei für blind und wurclen von der dritten übervorteilt“ (E. H.
Meyer 256). Noch ein Minnesänger des 13. Jahrhs. drückt ähn-
liches aus, wenn er sagt: „Zwei Schepfen flochten mir ein Seil, dabei
die dritte saß; die zerbrach’s zu meinem Unheil“ (ebenda).

Also: Die Moiren eine differenzierte Trias; eine von ihnen die
ernste dominierende Herrin, die zwei anderen mehr dienende,
freundliche Begleiterinnen. Kehren wir mit diesem abgemeinen,
auf breiter Basis gewonnenen Ergebnis zum Parthenongiebel zurück.

Ist da eine Differenzierung vorhanden? und wenn, wo ist die
Herrin? Man kann von zwei Differenzierungen liier sprechen, einer
scheinbaren, irreführenden, und einer wirklichen. Die scheinbare
besteht darin, daß K von L und M äußerlich mehr losgelöst ist.
Aus einem besoncleren Block gearbeitet sitzt sie auf einem eigenen
Feisen, ungleich den beiclen Genossinnen, welche nur deshalb aus
einem einzigen Block gehauen sind, weil sie clurch das künstlerische
Motiv unlösbar miteinander verschlungen sincl. Aber gar drei
solcher gewaltiger Gestalten aus einem einzigen Blocke zu hauen
und zu versetzen, wäre technisch unmöglich gewesen. Und doch
gehört K eng mit L und M zusammen, wie aus den Yertiefungen
auf clen Bodenplinthen, aus clen nachträglichen Abarbeitungen hinten
an L und auch aus der Carreyschen Zeichnung (Abb. 5) hervorgeht.
Der klaffende Spalt, welcher bei der jetzigen Aufstellung im British
Museum, clie auch den meisten Abbilclungen zugrunde liegt, zwischen
K und L störencl wirkt, war einst nicht vorhanden und ist irre-
führend. K braucht also weder als Hestia (Petersen) noch sonst
irgendwie von L und M abgelöst werden, sondern darf mit beiclen
so eng verbunden bleiben, als Tracht, Habitus und alles andere
es zulassen.

K kann auch gar nicht die Hauptfigur sein unter clen dreien.
Bei aller Würde cler Erscheinung — Petersen hatte ihr ja ein Szepter
geben wollen — und der durch die größere Giebelhöhe hier
ermöglichten aufrechteren Haltung ist sie doch von dem Hergang
in cler Giebelmitte in eine Erregung und Bewegtheit mithinein-
gerissen, die der ewig unerschütterlichen Obermoire nicht zustoßen
dürfte.

Ganz anclers bei M. Denn L in seiner dienenclen Plingebung
und eingeengten Position, wie im plötziichen Schreck ängstlich
 
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