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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0023
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Zuv Deutung der erhaltenen Figuren vom Parthenon-ostgiebel.

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allen Analogien der Vasenbilder nach auch im Inneren dieser Kästen
vermutet werden. ,,Das Motiv ist unmittelbar aus dem Leben
des Frauengemaches gegriffen“, bemerkte Pringsheim ganz richtig,
blieb aber auf halbem Wege stehen, indem er sich nicht ent-
.schiießen konnte, nun auch die nicht mehr passende FuRTWÄNGLERsche
Deutung der Sitzenden als „Floren“ fallen zu lassen, obwohl er ihre
Pdchtigkeit nun wohl oder übel bezweifeln mußte. Denn nicht nur
die Deutung als Demeter und Kore ist durch jene Sitze für
immer ausgeschlossen, sondern auch die der Horen. Die Gewänder,
welche diese weben, sincl sehr ätherischer Art und kaum noch
buchstäblich zu nehmen, so blumig, cluftig sind sie in ihrer über-
tragenen Bedeutung. 14 Bei diesen massiven Kisten aber mit ihren
dicken, schweren Decken handelt es sich zweifellos um etwas wesent-
lich Realeres, Materielleres.

Ich vermute in clen beiden Gestalten E und F, welche durcli
völlige Übereinstimmung in Sitz, Tracht und Wuchs sowie clurch die
trauliche, nahe, gegenseitige Berührung so cleutlich als Zwillings-
schwestern charakterisiert sind, jenen Dual, welcher sowolil der bild-
lichen Tradition wie der ganzen Situation nach hier überhaupt nicht
fehlen durfte, und der gerade an dieser Stelle clas richtige Korrelat zu
den Moiren clrüben ergibtPdie beiden Eileithyien. Zu einer
Darstellung von Athenas Geburt gehörten gerade in der attischen
Kunst unbedingt eben diese zwei hilfreichen Gestalten. 15 Brunn
hatte darum nur zu sehr recht, wenn er (Kleine Schriften II, 266)
betonte: „aus künstlerischen Gründen empfiehlt es sich durchaus,
die Eileithyien (nach dem Vorgang der Vasenbilder) auch in der
Komposition der Giebelgruppen wieder in ihre Rechte einzusetzen,
uncl zwar in der schon von Homer (II. XV, 270) bezeugten Doppel-
zahl“. Nur dachte sich Brunn dabei die zwei Geburtshelferinnen,
ganz wie auf clen Vasen, unmittelbar rechts und links um den
Thron des Zeus beschäftigt. Diese altertümliche Anordnung mit
den bekannten naiven Gesten des Bestreichens und Massierens hat
der Giebelkünstler aber mit Recht vermieden.

Über die für clie attische Kunst ganz unerläblich notwendige
Gegenwart der Eileitliyien bei einer Darstellung der Athenageburt

14 Vgl. ROSCLIER, Myth. Lexikon I, 2715.

15 Vgl. die durch PAUL BAUR, Eileithyia (Heidelb. Diss. 1901), S. 503 ver-
vollständigte Liste der Phidias vorausliegenden Darstellungen: mit Ausnahme der
acht etruskischen Spiegel, die indessen wieder von Athen abhängig sind, sämtlic.h
attischen Werken entnommen.
 
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