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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0027
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Zur Deutung der erhaltenen Figuren vom Parthenon-ostgiebel.

27

(Jahrb. 1911, S. 108, 111 u. 177). Auch bei cler Aphroditegeburt
des Ludovisischen „Thrones“ glaube ich daher eher an ein solches
Tuch als an Studnigzkas Zuweisung dieses Stoffes an das Gewand
der Göttin selbst. Vielleicht sind auch hier an Stelle der Horen
die Eileithyien zur Stelle? Ein warmes, trockenes Tuch für die
ganz Durchnäßte bereitgehalten scheint mir hier keine Ungeheuer-
lichkeit. 19 Auclr nicht die Anwesenheit der göttlichen Geburts-
helferinnen selbst. 20

Wie sehr endlich die Gewebe, Stoffe, Binden und Gewänder
gerade irn Kult der Eileithyia eine Rolle spielten, wie sehr die
Textilien in ihrem und den mit ihnen verwandten Kulten der Idera
und Artemis hervortraten, das lehrt allein schon die Zusammen-
stellung der Weihegeschenke dieser Art bei P. Baur, S. 29 ff. Nach
Pausanias (I, 18, 5 und VII, 2, 5—7) waren ihre Kultbilder in Athen
und Ägion von Kopf bis zu Füßen dicht mit Geweben behängt nnd
verhüllt. Eine Trulie wie clie im Parthenongiebel, als Weihe-
geschenk in Marmor imitiert, stammt bekanntlich mit einigen Brust-
anathemen aus dem Demeter-Koreheiligtum von Knidos. Vgl.
New tton, Discoveries, pl. 58 nr. 14.

In diesen Truhen ist aber wahrscheinlich noch etwms anderes
gedacht, w'as zu dem Apparat, mit dem clie Eileithyien den Ge-
bärerinnen beistehen, ganz wesentlich gehört: die geheimnisvolle, auf
Kreta wildw TachsencIe Heilpflanze Diktamnon, deren Geruch so stark
ist, „dah er Schlangen töten kann“, clie darum wohlverwahrt gehalten
werden muß, um ihre Kraft nicht ausströmen zu lassen, bis zu clem
Augenblick, wo sie wirklich in Anw'enclung gebracht wird. Dieses
Heilkraut war der entbindenclen Artemis heilig und heißt clarum
auch apxeptbeaiov. 21 Deshalb bekränzte man auch clie Statue der
kretischen Diktynna mit dieser Medizinalpflanze: touto öe Kai ojkuto-
kiov eivat, bia Kai tcuc, buöTOKOüaatg biöodhai x^P lv T°d taxeutg
TiKieiv. Im Zusammenhang damit hat schon Roulez (Annali 1861,
301 ff.) ganz richtig erkannt, dah dieses Pleilkraut als Kranz ge-
wunden mehrfach in clen Händen der um Zeus bemühten Eileithyien
auf schwarzfigurigen Vasenbilclern vorkommt. Vgl. oben S. 24. u. 25

19 Vgl. WOLTERS in Ephim. 1892, 228, mit der wichtigen Stelle aus
SORANOS (p. 241) über solche paKoi. Als moderne Analogie vgl. den als Titelbild
solchen Bnches typisch und generell entworlenen Titelkupfer in dem bekannten
Buche von AMMON, ,,Mutterpflichten“, wo zwei deutsche Eileithyien mit
Tüchern um den Neugeborenen beschäftigt sind.

20 So nimmt es aucli BULLE, Der schöne Mensch 2, Sp. 585 an.

21 Vgl. PAULY-WlSSOWCA s. v. Diktamnon.
 
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