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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0029
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Zur Deutung der erhaltenen Figuren vom Parthenon-ostgiebel.

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haupt kunst- und religionsgeschichtlich die allerletzte Geiegenheit ge-
geben, dies Thema monumental zu gestalten. Schon dem aufge-
klärteren 4. Jh. wäre das, rein vom religiösen Empfmden aus, nicht
mehr möglich gewesen. So schonend wie möglich hat aber hier
ein großer Künstler der noch unerschütterten, auch religiös im wesent-
lichen nocli ungebrochenen perikleischen Epoche noch einmal die
alte Tradition gewahrt. Ohne einige bedeutende Umgestaltungen
und Freiheiten konnte es aucli da freilich nicht abgehen. Es ist ein
Äußerstes hiei' gewagt, ein gewisses Maß von konservativem Fest-
halten am Überlieferten ist beibehalten, ein ebenso grohes aber von
freiem Schalten mit diesem und von neuem Gestalten steht ihm gegen-
über. Auch darin darf man — für den Entwurf ganz ohne Frage,
nicht für die Ausführung — Phidias selbst erkennen. Darüber
hinaus ist dann keiner mehr gegangen. Das Thema scheint von
da ab ein für allemal erledigt gewesen zu sein.

IV.

Aber, wenn es selbst mit den Eileithyien seine Richtigkeit
haben solite, nun der stattliche Jüngling DP! Was kann er mit
jenen zu tun haben? Wie ist es möglich, diese Gestalt mit den
Schirmerinnen des neugeborenen Lebens in einen wirklichen und
ideellen Zusammenhang zu bringen?

Schon geraume Zeit glaubte ich etwas wie jenen allgemeinen
Schutzgeist darin erkennen zu sollen, der als djad-ög öai)uujv in der
Vorstellung der Griechen eine so grohe R.olle spielte und cler als
„Sosipolis“ auch kultisch einmal direkt mit Eileithyia verbunden er-
scheint, in Olympia (Paus. VI, 20, 2). Aber man kann mit Recht
einwenden, dah hier dann wenigstens eine dYahf) xuxn an seiner
Stelle zu erwarten wäre, wenn diese Schutzbeclürftigkeit aus der
menschlichen Sphäre doch einmal in clas Gebiet cler großen Götter
übertragen werden sollte. Ferner läßt sich gerade diese Gestaltungs-
form eines athletisch kraftvollen Jünglings für clen aYaboc; öaiuuuv
nicht belegen, trotz Praxiteles uncl Euphranor.

Und cloch war die Fährte, auf cler ich suchte, richtig. Denn
•es handelt sich wirklich um ein maskulines Komplement zu
den beiden mütterlich waltenclen Pflegerinnen unmittelbar neben
ihm, um einen göttliclien Schirmer uncl Pfleger des jungen Lebens.
In diesem Sinne hatte ich an die bekannte Vereinigung des Hermes,
dieses alten Vegetationsdämons, mit den Nymphen gedacht. Durch
eine ergänzende Remerkung Richard Reitzensteins wurde ich in
 
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