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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0037
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Zur Deutung der erhaltenen Figuren vom Parthenon-ostgiebel. 37

Wenn aber dieser Hermes schon zu den Eileithyien neben
ihm passen mag, ist er auch eine wirkliche Entsprechung zu der
Aphrodite gegenüber, mit der er äußerlich so aufs genaueste kor-
respondiert ?

Nun, wenn irgendeiner, so ist er, gerade der Kyllenios, das
richtige Gegenstück. Die Zusammenstellung des ithyphallischen
Hermes, dieses uralten Fruchtbarkeitsspenders für Menschen und
Vieh, mit Aphrodite, die Koordinierung cles zeugenden und des
empfangenden Prinzips, ist im griechischen Kulte uralt; gerade für
Kyllene, Elis, Knidos, Lesbos, Attika, dann für Aphrodisias und
im seiben Sinne wohl aucli für Samothrake mehrfach bezeugt.
Hermes und Aphrodite Urania sind die beiden einzigen Olympier,
deren sexuell prononciertes Bilcl unter der altertümlichen Gestalt
der Herme 41 Verehrung gefunden hat. In diesem Sinne führt Hermes
auch clen Beinamen emba\a|un:r|q. Hermes und Aphrodite hatten
nach der griechischen Vorstellung einen gemeinsamen Geburtstag,
der vierte Monatstag (der Tag unmittelbar nach dem Geburtstag
der Pallas) ist ihnen beiden heilig. 42 Auf Delos hatten Hermes und
Aphrodite sogar einen gemeinsamen Tempel mit cloppelter Gella
hinter der gemeinsamen Vorhalle. 420, Auf einem Altar noch römischer
Zeit steht bezeichnender Weise hinter ’Eppoö 'Acppoöimiq noch navö<;
(Athenaion V, 330). Aus diesem komplementären und kontra-
postischen Dual heraus ist später die bekannte Hermaphroditen-
bildung entstanden, das Zwitterwesen der beiden Geschlechter in
einem einzigen Körper. Beider Symbol und Attribut ist auch die
Schildkröte 43, beide reiten zuweilen auf Böcken, der Bock ist beider
Opfertier, und clie Nymphen als Begleiterinnen des Hermes wandeln
sich in diesem Zusammenhange zu Chariten. 44

Der H.ermes xoupoxpocpo^ läßt sich also von dem Plermes
cpdXio«; nicht trennen, denn er ist nur die natürliche, gesittetere
Fortbildung dieses uncl darum in der jüngeren zivilisierteren Welt
die häufigere, in den Vordergrund gerückte Erscheinung. Der
Hermes irn Parthenongiebel entspricht also beiclen Seiten, der

41 Pausanias I, 19, 2.

42 W. SCHMIDT, Geburtstag im Altestum, 101 ff.

42a Vgl. Pauly-Wissowa IV, 2469 (mit Plan).

43 Vgl. FARNELL, Cuits V, 12; GRUPPE, Gr. Mythologie II, 1330ff., I, 1.96ff.
Kertscher Deckelschale, FüipWÄN GLER-REICHHOLD, Griech. Vasenmäierei,
T. 68. Eine Terrakotte aus Myrina zeigt Aphrodite halbnackt auf eine unbärtige
Hermesherme gestützt (BCH. VII, 218). Myrthen der Aphrodite umschlingen
die ithyphallische Herme des Erechtheions. Vgl. oben Anm. 23.

44 Belege dafür bei GRUPPE II, 1330.
 
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