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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0039
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Zur Deutung der erhaltenen Figuren vom Parthenon-ostgiebel. 39

dem Vorgang in der Mitte, — sie, die beide doch die vitalsten
Prinzipien und allerersten Bedingungen verkörpern, olrne clie kein
neues Leben entstehen, keine normale Geburt komrnen kann. Bei
jeder anderen Geburt wäre diese Anordnung auch unmögiich ge-
wesen. Hier aber ist sie eine durchaus statthafte. Bei der hier
sich vollziehenden Geburt und dem, was ihr vorausging, haben Beide
keinen direkten Anteil. Die Geburt der Pallas ist gekommen und hat
sich vollzogen ohne Zutun ihrerseits. Darum muhten sie zur Seite
treten, darum lagern sie ganz an den Enden. Die Kräfte und
Mächte, die sie verkörpern, waren bei diesem Vorgang anscheinend
unbeteiligt, sie liaben keinerlei Verclienst daran.

IJnd doch, gerade hier an den Enden, fällt auf beide ein be-
sonderer Akzent, und wiederum ist der gewollt. Er ist sichtlich
vorhanden in der den Beiclen verliehenen majestätischen Pmhe.
In welchem Sinne, wird cler Schluss der Untersuchung zeigen.

V.

Kehren wir nun noch einmal zu den Moiren rechts zurück
und stellen ihnen die ganze Gruppe links in der neu gewonnenen
Deutung gegenüber. Vom ÄuSeren abgesehen, haben wir jetzt
auch eine innere Entsprechung, eine überzeugende Analogie, ein
tatsächliches Gleichgewicht in beiden Giebelhälften ? Haben erstens
die Moiren wirklich eine so starke Beziehung zur Geburtsszene, daß
sie dadurch der Gruppe gegenüber dieWage halten können? Und
dann, halten sich darin auch die beiden clurch ihr breites Hin-
gelagertsein besonders hervorgehobenen Gestalten D und M die
Wage? Kann man bei denen in ihrer neuen Deutung von einer
Entsprechung reden?

Furtwängler schon (Meisterwerke, 246) hatte es aufs be-
stimmteste ausgesprochen, dah gerade wegen clieser Beziehung zu
den Geburten eben die Moiren uncl nicht etwa die Ghariten hier
zu erkennen wären. Da aber trotzdem darüber hinweggegangen
worden ist, kann es nicht überflüssig sein, auch diese Seite der
Moiren, ihre besondere Beziehung zu den Eileithyien, noch stärker
hervorzuheben; eine Beziehung, die so tief im gesamten Bewußt-
sein der Antike wurzeit, und nicht nur der griechischen, claß sie
wiederum das Altertum lange überdauert hat.

Ich kann zunächst auf die Zusammenstellungen bei Ruscher,
M. L. II, 3091 und 3101 verweisen. Bei Pindar hebt Klotho den
eben geborenen Pelops aus dem Waschbecken (OL. I, 26) und läßt
 
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