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Thiersch, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 4. Abhandlung): Ein parthenonisches Giebelproblem — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33047#0042
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42

H. Thiersch:

auch die drei wohltätigen Grofsmütterchen in schwedischen Märchen
(Gavallius, S. 214ff.) weben und nähen als Nornen, und ebenso
die drei bayrischen Schwestern, „hängen Wäsche und spannen ein
Seil von einem Berge zum andern“ (E. H. Meyer 254). Zwei von
diesen „Heilrätinnen“ spinnen auch Leinen für die Wöchnerin, die
sich darauf legt, um leichter zu gebären, und die drei Jungfern von
Schildturn, denen 1237 eine Kapelle geweiht wurde, beförderten
glückliche Entbindung. 50 Über die drei keltischen matronae, die
dem Neugeborenen Windeln und Wickelbänder bringen, vgl. Jullian,
Histoire de la Gaule II, 151. In Oberbayern helfen die „heiligen drei
Fräulein“ Ainpet, Warbet und Wilpet unfruchtbaren Frauen zu
Kindersegen und leisten den Ivreißenden Beistand (vgl. Panzer,
Beilr. zur deutschen Mythologie 1, lff.; 208 ff. usw.). So erscheinen
auch die Nornen als Nothelferinnen, die die Mutter vom neu-
geborenen Kinde lösen, schon in der Liederedda, wie die drei
deutschen Schwestern des Mittelalters und die isländischen „Schwarz-
mäntel“ bei der Geburt im Hause des Neugeborenen. Sie wurden
dann bewirtet. Die „Nornengrütze“, wahrscheinlich die beliebteste,
mit Honig durchsüßte Grütze, die erste Speise der färöerschen
Kindbetterin, ist wohl als Nornenopfer zu betrachten, wie das dar-
gebotene Zuckerwerk in Deutschland und Holland. Denn Burckhard
von Worms (um 1000) erwähnt die volle Zurüstung eines Tisches
mit Speise und Trank und drei Messern für die drei Schwestern.
Ebenso wurde auch den bretonischen Feen eine reich besetzte
Tafel mit drei Gedecken bereitet, um sie dem Neugeborenen günstig
zu stimmen (ebenda S. 256, 257, 260).

Moiren und Eileithyien gehören also bei einer antiken, einer
griechischen Geburtsszene aufs engste zusammen. In diesem Zu-
sammenhang gewinnteine altattische Athenageburt gröhereBedeutung,
als ihr bisher zuerkannt wurde. Sie gebührt ihr, weil sie sowohl

50 Dort stand auch eine Wiege im Einbethenheiligtujm, die noch in späterer
Zeit eifrig in Bewegmig gesetzt wurde von all denen, welc.he einen Familien-
zuwachs sich wiinschten oder solchem in Bälde entgegensahen (PANZER, a. a. 0.,
I, 69). Den Neugeborenen, denen die oberdeutschen Schicksalschwestern sich
nahen sollten, legte man Kxmkeln in die Wiege, um die göttlichen
Spinnerinnen recht gnädig zu stimmen (HERTZ, Deutsche Sagen im Elsaß,
51). — Bei dieser keltischen Trias komrnt auch der allgemeiner gefaßte, tellu-
rische Charakter mehr hervor: „Die drei bayrischen Jungfern begünstigen nicht
nur die Fruchtbarkeit der Weiber, sondern auch die der Felder, weshalb bei
Dürre die Tiroler mühsam über Berg und Tal zu ihnen hoch hinauf nach Meransen
wallfahrten“ (E. H. MEYER, 258). Vgl. das Dreiährenopfer an sie vor der Ernte
und das Dreijungfernfest am Schluß der Getreideernte für die badische Trias
(ebenda).
 
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