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Hermann Stoeckius:
In dieser Audienz konnte der Kardinal seine Ansicht nur
skizzieren, und doch ist ihm eine persönliche ausführliche Dar-
legung derselben den anziani von Parma gegenüber offenbar not-
wendig erschienen. Denn er ließ ihnen durch ihren Gesandten eine
noch klarere Antwort in Aussicht stellen 70). Leider hat sich nach
den Angaben Venturis bisher noch keine Spur davon im städti-
schen Archiv zu Parma auffinden lassen 71). Man darf jedoch ver-
muten, daß darin außer der Begründung der „Einzigartigkeit“
und „Gefährlichkeit“ des Ordens, die doch Bedenken erregt hatten,
ähnliche Gedankenreihen wie die Beweisführung sopra la plu-
ralitä delli ordini religiosi in den Abhandlungen de concilio univer-
sali 72) und de ecclesia 73) den wesentlichsten Inhalt gebildet haben
Kanonisten (cf. Tacch. Yent., p. 571 2) betrifft, so war das Laterankonzil
von 1215 in der Tat gegen die nimia religionum diversitas gewesen (cf. Tacch.
Vent., p. 579 3), und das Konzil von Lugdunum im Jahre 1274 verbot (cf.
Tacch.Vent., p. 580 1 u- 2), ne de caetero novum ordinem aut religionem quis
adinveniret, vel habitum nove religionis assumeret, et revocavit religiones
et ordines mendicantium post dictum generale concilium adinventos, qui
Sedis Apostolicae confirmationem non meruissent, excipiens ab illa consti-
tutione Praedicatorum et Minorum ordines, quos evidens ex eis utilitas uni-
versali Ecclesiae proveniens approbatos perhibebat. Heremitarum vero
sancti Augusti et Carmelitarum ordines, quorum institutio dictum generale
concilium praecessit, in solido sive solito statu voluit permanere, donec de
ipsis aliter fuerit ordinatum (cf. Tacch.Vent., Doc. ined., n. 58, p. 580). Was
sodann die Wertung der Missionsarbeit der Genossen Loyolas angeht, so ge-
winnt man die deutliche Vorstellung: Guidiccioni ist objektiv genug, der
missionierenden Tätigkeit der preti riformati bereitwillig Lob zu spenden.
Freilich dürfte sich in dieser Anerkennung auch der Einfluß widerspiegeln,
den die eindringliche Schilderung der anziani durch die Vermittelung ihres Ge-
sandten auf das Urteil des Kardinals ausgeübt hat. — 70) Tacch. Vent.,
Doc. ined., n. 52, p. 571. — 71) Tacch. Vent., p. 571 3. — 72) Tacch. Vent., Doc.
ined., n. 58, p. 579 f. — 73) Tacch. Vent., Doc. ined., n. 59, p. 580 f.,
(cf. Beilage II). — Diese beiden Abhandlungen aus der Verborgenheit an das
Licht gezogen zu haben, ist ein weiteres Verdienst von Tacchi Venturi. Denn
einmal geben sie eine recht wahrscheinliche Klärung einer dunklen Überliefe-
rung, sodann sind sie für die Geschichte der Entstehung der Gesellschaft Jesu
nicht ohne Bedeutung. Um die Beharrlichkeit, mit der sich Guidiccioni der Ein-
führung einer neuen Kongregation in die Kirche widersetzt hat, zu erklären, ha-
ben die Historiker des Jesuitenordens ihm ein Buch über die Pluralität der reli-
giösen Orden zugeschrieben (cf. Tacch. Vent., Prefazione ai documenti, p. 413).
Seltsamerweise hat aber kein einziger von diesen Historikern den Titel
des Werkes anzugeben gewußt, es fehlt auch bei ihnen jede irgendwie bestimmte
Angabe darüber, daß das angebliche Werk auch wirklich geschrieben ist.
Wenn aber schon die berufensten Geschichtschreiber diesen erheblichen Mangel
aufweisen, kann es da wundernehmen, wenn die späteren Historiker die glei-
Hermann Stoeckius:
In dieser Audienz konnte der Kardinal seine Ansicht nur
skizzieren, und doch ist ihm eine persönliche ausführliche Dar-
legung derselben den anziani von Parma gegenüber offenbar not-
wendig erschienen. Denn er ließ ihnen durch ihren Gesandten eine
noch klarere Antwort in Aussicht stellen 70). Leider hat sich nach
den Angaben Venturis bisher noch keine Spur davon im städti-
schen Archiv zu Parma auffinden lassen 71). Man darf jedoch ver-
muten, daß darin außer der Begründung der „Einzigartigkeit“
und „Gefährlichkeit“ des Ordens, die doch Bedenken erregt hatten,
ähnliche Gedankenreihen wie die Beweisführung sopra la plu-
ralitä delli ordini religiosi in den Abhandlungen de concilio univer-
sali 72) und de ecclesia 73) den wesentlichsten Inhalt gebildet haben
Kanonisten (cf. Tacch. Yent., p. 571 2) betrifft, so war das Laterankonzil
von 1215 in der Tat gegen die nimia religionum diversitas gewesen (cf. Tacch.
Vent., p. 579 3), und das Konzil von Lugdunum im Jahre 1274 verbot (cf.
Tacch.Vent., p. 580 1 u- 2), ne de caetero novum ordinem aut religionem quis
adinveniret, vel habitum nove religionis assumeret, et revocavit religiones
et ordines mendicantium post dictum generale concilium adinventos, qui
Sedis Apostolicae confirmationem non meruissent, excipiens ab illa consti-
tutione Praedicatorum et Minorum ordines, quos evidens ex eis utilitas uni-
versali Ecclesiae proveniens approbatos perhibebat. Heremitarum vero
sancti Augusti et Carmelitarum ordines, quorum institutio dictum generale
concilium praecessit, in solido sive solito statu voluit permanere, donec de
ipsis aliter fuerit ordinatum (cf. Tacch.Vent., Doc. ined., n. 58, p. 580). Was
sodann die Wertung der Missionsarbeit der Genossen Loyolas angeht, so ge-
winnt man die deutliche Vorstellung: Guidiccioni ist objektiv genug, der
missionierenden Tätigkeit der preti riformati bereitwillig Lob zu spenden.
Freilich dürfte sich in dieser Anerkennung auch der Einfluß widerspiegeln,
den die eindringliche Schilderung der anziani durch die Vermittelung ihres Ge-
sandten auf das Urteil des Kardinals ausgeübt hat. — 70) Tacch. Vent.,
Doc. ined., n. 52, p. 571. — 71) Tacch. Vent., p. 571 3. — 72) Tacch. Vent., Doc.
ined., n. 58, p. 579 f. — 73) Tacch. Vent., Doc. ined., n. 59, p. 580 f.,
(cf. Beilage II). — Diese beiden Abhandlungen aus der Verborgenheit an das
Licht gezogen zu haben, ist ein weiteres Verdienst von Tacchi Venturi. Denn
einmal geben sie eine recht wahrscheinliche Klärung einer dunklen Überliefe-
rung, sodann sind sie für die Geschichte der Entstehung der Gesellschaft Jesu
nicht ohne Bedeutung. Um die Beharrlichkeit, mit der sich Guidiccioni der Ein-
führung einer neuen Kongregation in die Kirche widersetzt hat, zu erklären, ha-
ben die Historiker des Jesuitenordens ihm ein Buch über die Pluralität der reli-
giösen Orden zugeschrieben (cf. Tacch. Vent., Prefazione ai documenti, p. 413).
Seltsamerweise hat aber kein einziger von diesen Historikern den Titel
des Werkes anzugeben gewußt, es fehlt auch bei ihnen jede irgendwie bestimmte
Angabe darüber, daß das angebliche Werk auch wirklich geschrieben ist.
Wenn aber schon die berufensten Geschichtschreiber diesen erheblichen Mangel
aufweisen, kann es da wundernehmen, wenn die späteren Historiker die glei-