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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0003
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Seit Engels denBegriff der „Resevearmee derArbeit“ einge-
führt, K. Marx ihm eine bedeutsame Stelle in seinem System an-
gewiesen hat, ist der Streit über Wesen und Tragweite dieser Er-
scheinung kaum zur Ruhe gekommen. Zu auffällig sind die teils
regelmäßig wiederkehrenden, teils plötzlich hereinbrechenden Fluk-
tuationen des Arbeitsbedarfes, zu verhängnisvoll die Wirkungen
dieser Unsicherheit der volkswirtschaftlichen Organisation, als
daß nicht gerade sie in den Mittelpunkt des praktischen wie des
vnssenschaftlichen volkswirtschaftlichen Interesses gerückt würden.
Wir verstehen hier unter Reservearmee der Arbeit einen zeit-
weiligen Überschuß von Arbeitern über den Bedarf der kapita-
listischen Unternehmungen, der bei voller Beschäftigung der-
selben herangezogen wird, um bei geringerer wieder abgestoßen
zu werden. Es kann uns hier nicht die vielumstrittene Frage be-
schäftigen, welche Stellung dieser Begriff in dem System von Karl
Marx einnimmt 1, auch nicht, ob die Erscheinungen, aus denen er
abgeleitet ist, nur einer Epoche des Übergangs von einer niederen
Organisationsform der Produktion zu einer höheren angehören,
oder ob sie einen notwendigen Bestandteil der gegenwärtigen
Wirtschaftsverfassung überhaupt bilden. Es würde das nur die
Tragweite dieses Begriffs für die Erklärung wirtschaftlicher Zu-
stände, nicht diesen selber berühren 2.

1 Man wird hierbei wie gewöhnlich unterscheiden müssen, was in der
subjektiven Gedankenarbeit das Primäre war, und was in dem logisch ent-
wickelten System als solches erscheint. Wenn essich, wie billig, bei weiterer
Untersuchung um dieses letztere handelt so setzt die „industrielle Reserve-
armee“, die Lehre vom Wert, von der kapitalistischen Produktionsweise, von
den Unterschieden der Arten des Kapitals, von den Krisen, ja selbst von der
Bevölkerungsbewegung voraus, obwohl alle diese auch wieder rückwärts
von ihr weitere Beleuchtung empfangen. Man wird ihr eher eine zentrale
als eine führende Stellung im MARXSchen System anweisen.

2 Nur so viel sei hier bemerkt: Mit dem bloßen Hinweis darauf, daß die
von Marx ausgemalten Folgen nicht eingetreten sind und nicht die ,,Ver-
elendung der Massen“, sondern im Gegenteil die Hebung ihrer Lebenshai-
tung eingetreten ist, hat man — so beliebt er sein mag — noch gar nichts
geleistet. Denn einmal schließt die M.ARXSche Lohnlehre diese Möglichkeit

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