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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0008
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E. Gothein:

arbeit, die je nach dem Bedarf des Unternehmers ihm erlaubt,
in beiiebiger Menge Arbeit anzuziehen und abzustoßen, ist hier
zur normalen Arbeitsverfassung überhaupt geworden; sie greift,
wo jene technische Voraussetzung gegeben ist, mit fast unwider-
stehlicher Gewalt auf dem ganzen Erdball um sich, sie verflicht
allmählich die einzelnen, bisher gesonderten Arbeitsmärkte zu
einem Weltarbeitsmarkt und wandelt auch die scheinbar so festen
sozialen Verhältnisse der ansässigen Landbevölkerung um. Ist
auch diese Erscheinung unter den Begriff der Reservearmee der
Arbeit zu bringen ?

Bemerkenswert sind hier die Ausführungen Davids: Im
Anfang, als die Einführung der Maschine, insbesondere der Dresch-
maschine, in der Landwirtschaft Arbeiter freigesetzt und nament-
lich die Winterarbeit zum größten Teil ausgeschaltet habe, sei
allerdings dieser Überschuß der Arbeiter als Reservearmee zu
bezeichnen gewesen; seitdem aber die große Landwirtschaft sich
auf regelmäßigen Bezug von Arbeitern zu bestimmten Zeiten
des Jahres und ebenso auf regelmäßige Entlassung eingerichtet
habe, sei diese Arbeiterschaft ebensowenig als Reservearmee zu
bezeichnen wie die Arbeiter anderer eigentlicher Saisonindustrien.
Hier sind die Unterschiede richtig hervorgehoben; allein es scheinen
mir die Ähnlichkeiten doch so sehr zu überwiegen, daß icli diese
Wanderarbeiter nur als eine besondere Gruppe ansehen möchte,
die ich die ,,reguläre Reserve-Armee der Arbeit“ neben jener
,,irregulären“ nennen würde.

Denn liier wie dort sieht der Unternehmer von einer ständigen
Beschäftigung der Arbeiter ab, er suclit seinen Arbeitsbedarf in
einer fluktuierenden Masse, die hier zwar nicht geschaffen, aber
in Bewegung gesetzt, aktuell geworden erst durch diese Nachfrage
ist. Hier wie dort ist der Grund dieser Erscheinung der ungleiche
Arbeitsbedarf, der eine Anpassung des verwendeten Arbeits-
quantums erfordert. Hier wie dort muß ein Überschuß von ver-
fügbaren Arbeitskräften immer vorhanden sein, um jede Mög-
lichkeit des Bedürfnisses rasch zu befriedigen. Hier wie dort wird
die Entlohnung der Arbeit im ganzen durch das Vorhandensein
dieses disponiblen Überschusses bestimmt. Hier wie dort hat bei
der Entstehung dieser Verhältnisse — wie auch David bemerkt —
das Einsetzen des stehenden Kapitals eine Rolle gespielt, und wenn
man diese Rolle in der Landwirtschaft als eine Übergangser-
scheinung bezeichnen will, so gilt das, wie wir sahen, in gewissem
 
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