Metadaten

Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0012
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
12

E. Gothein:

Drittel der Maschinen stillstehen, während sie doch noch eine ganz
leidliche Dividende abwerfen.

Nicht anders wie mit diesem fixierten ist es mit dem mobilen
Kapital, Vorräten von Waren und hesonders von Halbprodukten,
die der Weiterverarbeitung oder Zusammensetzung harren, bestellt.
Die Magazinverwaltung — namentlich die der Bestandteile, denn
große Vorräte von Fertigwaren wird der Fabrikant lieber vermei-
den —, die stille Abteilung in jeder Fabrik, ist doch ihr Zentrum.
Sie stellt sich als eine sachlich-greifbar gewordene Buchführung
dar. Diese großen Reservoire bieten die Möglichkeit des Arbeits-
ausgleichs: Fabrikation auf Vorrat in stillen Zeiten, Promptheit
in der Ausführung unvorhergesehener, großer Aufträge in be-
wegten wird durch sie erreicht. Der Handwerker, der, auch wo
er nicht von der Hand in den Mund lebt, doch immer für den
nächsten Bedarf des Kunden arbeitet, wird immer unpünktlich
sein. Wenn schon Augustinus als seine Standessünde das Lügen,
d. h. Versprechen und nicht Halten, bezeichnet, so ist das in
der Tat ein Fehler des Berufs, nicht der Person. Für den Groß-
betrieb aber ist Pünktlichkeit und Schlagfertigkeit Voraussetzung
des Erfolgs und selber Folge seiner Ivraft- und Warenreserven.

Was nun vollends das variable Kapital, das Geldkapital an-
langt, so ist bekanntlich eine vorsichtige Abschreibung und die
Ansammlung eines beträchtlichen Reservefonds durch sie heute
die Seele des großkapitalistischen Geschäftsbetriebs. Der ausge-
sprochene wirtschaftliche Zweck ist auch hier die Ausgleichung
für alle unvorhergesehenen Fälle, wenn auch die Politik der „stillen
Reserven“ ebensooft nur einer minder auffälligen Vermögens-
bildung dient.

Diese letzte Art von Kapitalreserve ist immer ein Vorteil; denn
in der Natur des variablen Ivapitals liegt es, daß es sich so gut wie
immer verwerten läßt: es trägt Zinsen. Aber die andern Arten der
Eigenreserve können zu einer Last und bedenklich werden,
gleichviel ob es sich um produktive Betriebsmittel oder um Vor-
räte handle. Zum mindesten erfordern sie eine sehr genaue Kal-
kulation; denn das Optimum der Wirtschaftlichkeit wird durch
eine nicht voll ausgenützte Kapitalinvestierung herabgedrückt.
Für alle Betriebe, die auf einen raschen Umsatz angewiesen sind,
wird eine große Reserve zum Verhängnis. Bei Winzergenossen-
schaften z. B. ist ein großer Keller ebenso ein Zeichen der Schwäche,
wie beim Weinhändler eines der Stärke. Aber auch darüber hinaus
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften