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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0015
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Die Reservearmee des Kapitals.

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tikulierschifferschaft als selbständige Unternehmung ganz erliegen,
der Kleinkapitalist zum Arbeiter herabgedrückt werden würde. Allein
die Entwicklung ging andere Bahnen. Obwohl heute der Konzen-
trationsprozeß der Reedereien auf den drei großen deutschen
Strömen sich immer weiter fortgesetzt und teils zur Aufsaugung,
teils zu Konzernbildungen geführt hat, sind die Partikulierschiffer,
die sich ebenso im Besitze kleiner wie großer Schiffe befinden,
nicht ausgeschaltet worden, sondern es hat sich ihre Anzahl immer
noch vermehrt. Gerade die großen Reedereien, deren Rentabi-
lität, ohnehin nicht glänzend, durch eine Vermehrung des Schiffs-
parks über den durchschnittlichen Bedarf verschwinden würde,
brauchen sie als Reservearmee 1. Darum ist aber auch die Lage
jener immer eine prekäre, wird jedoch dadurch gemildert, daß
sie ihren Betrieb leicht in einem großen Umkreise dahin verlegen
können, wo sie Beschäftigung finden. Alle Versuche aber, diese
fluktuierende Reservetruppe zu einer regulären zu machen, wie
sie namentlich auf der Elbe gemacht wurden, sind immer bald
gescheitert: sie haben sich für die Reedereien als schädlich,
für die Schiffer wenigstens nicht als nützlich erwiesen.

Dagegen fehlt der Eisenbahn die Reservearmee fast ganz,
obwohl in den Wagenverleihanstalten ein kleiner Ansatz vorhanden
ist. Fahrbahn und Betriebsmaterial bilden bei ihr technisch eine
Einheit; die mangelnde Elastizität des eignen Betriebs muß da-
durch ersetzt werden, daß die einzelnen Verwaltungen ihr
Wagenmaterial austauschen; wenn trotzdem die beiden Hoch-
wellen des Bedarfs, Winterkohle und Rübenkampagne, zu-
sammentreffen, so tritt der fast chronisch gewordene Wagen-
mangel ein, während die Binnenschiffahrt sich immer binnen
kurzem beliebigen Kahnraum verschaffen kann. Deshalb
sind Eisenbahn und Schiffahrt bei aller Eifersucht im
einzelnen im ganzen doch aufeinander als Komplementärbetriebe
angewiesen.

Wie hier mögen wir eine verschiedene Stellung zur Reservearmee
bei den beiden wichtigen Organisationsformen des Trusts und des
Kartells finden. Es fällt dem Trust gar nicht ein, das gesamte
in einer Industrie beschäftigte Kapital vereinigen oder kontrol-

1 Sogar die festen Jahreskontrakte der Reeder mit den Partikulierschif-
fern nehmen ab; man zieht vor, die einzelne Fahrt zu akkordieren, wozu die
größere Sicherheit und Gleichmäßigkeit, die durch die Schifferbörse in Ruhr-
ort erzielt worden ist, beiträgt.
 
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