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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0016
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16

E. Gothein:

lieren zu wollen. Das wäre so kostspielig wie zwecklos und schädlich.
Auch braucht er nicht jeden Outsider niederzutreten: er geht
immer nur so weit als nötig, nämlich bis zu dem Punkt, wo der
kleinere Konkurrent einsehen muß, daß er nur zu seinem Schaden
die Kreise der Trustpolitik kreuzen würde, weil er jederzeit unter-
boten und verdrängt werden kann. Er kontrolliert nicht die ganze
Produktion unmittelbar, wohl aber tut er es mittelbar dadurch, daß
er eine willkürliche Vermehrung der Unternehmungen als zwecklos
verhindert. Auch der größte Trust der Welt, die amerikanische
Steel Gorporation, hat es nicht über etwa 60 Prozent der ameri-
kanischen Eisenproduktion gebracht, und die etwa 50 Prozent,
die sie gegenwärtig kontrolliert, sind ihr ausreichend; auch richtet
sich die gegen sie erhobene Klage wegen verbotener Monopoli-
sierung nicht gegen ihre Stahlerzeugung, sondern gegen die von ihr
geübte Erzfeldersperre. Bei den großen Schwankungen des Eisen-
bedarfs in Amerika sieht sie offenbar eher ihren Vorteil als ihren
Nachteil im Bestehen jener andern. Besonders ist auch in England,
wo die Kartellierung wenig Boden gefunden hat, in mehreren Indu-
strien die überragende Bedeutung einzelner Unternehmungen so
groß, daß die übrigen sich gern in ihre Gefolgschaft begeben
und ihre Zahl beschränkt bleibt. So bleibt die Aktionsfreiheit
gewahrt, und die Anpassungsfähigkeit, der Spitzenausgleich, wird
durch die Reservetruppe gefördert. Hermann Levy hat das
für England nachgewiesen und die Unterschiede im Verhalten
vertrusteter und kartellirter Industrien dargelegt.

Das Kartell hingegen mit seinen Formen kollegialischer Ver-
waltung und schematischer Austeilung, der Kontingentierung der
Produktion, genießt weder jene Vorteile, noch kann es sich mit
jenen Ziffern begnügen. Meistens muß ein Kartell 80—90 Prozent
der Produktion in sich vereinigen, um sich halten zu können.
Jedes Ivartell ist seiner Absicht nach eine Rückkehr zur Bedarfs-
deckungswirtschaft, und die am besten geleiteten haben auch
eine bedeutende Geschicklichkeit im Voranschlag des einheimi-
schen Bedarfs gezeigt, weit geringere jedocli in den Auslandsver-
käufen. Die Produkt-ion der einzelnen muß im Ivartell quantitativ
gebunden, qualitativ gleichgesetzt werden; dalier rührt es, daß
Ivartelle für die großen Unternehmungen nur eine äußerliche
Ruhepause bilden, in der die Vorbereitungen zum Kampf nur um
so lebhafter gerüstet werden. Indem jeder Kleinere — nur die
Allerkleinsten mit rein lokalem Absatz werden ja draußen ge-
 
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