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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0027
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Die Reservearmee des Kapitals.

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technisch dies noch nicht erwünscht war. Die Kapitalhaltung
bedingt hier allerdings nicht Schwäche wie in der Hausindustrie,
aber der Hauptvorteil liegt doch auf seiten der Benützer, nicht der
Besitzer. Die technische Entwicklung hat es mit sich gebracht, daß
später imTiefbau sich Kapitalhaltung undBetrieb vereinigt haben,
aber die erste bedeutende Entwicklung früherer Zeiten ist ihrer
Trennung beizumessen.

Das bedeutsamste Beispiel der Verschiebung der Kapitalhal-
tung ist jedoch das frühere Rittergut, jene Vermischung kapitalisti-
scher Erwerbswirtschaft mit Herrschaftsverhältnissen, wie sie Knapp
in der für die Geschiclite der kapitalistischen Wirtschaftsweise
Vvdchtigsten Arbeit geschildert und theoretisch begründet hat. Seine
Grundlage findet dieser beginnende landwirtschaftliche Groß-
betrieb nicht in der Zwangsverfassung der Arbeit allein, sondern
darin, daß der Arbeiter aucli für den Hauptteil des stehenden Ka-
pitals, Spannvieh und Geräte, aufzukommen hat. Kapitalistisch
ist ein solcher Betrieb zwar in jedem Falle: er produziert Handels-
ware im großen, er erzielt seinen Mehrwert wesentlich durch Aus-
nützung, oft Ausbeutung der Arbeit in einer straffen Organi-
sation, er fühlt in sich ein starkes Expansionsbedürfnis, dem wenig-
sten zum Teil auch der Mehrwert dient. Aber schließlich war es
ein kapitalistischer Betrieb ohne Kapital, auch ohne variables,
da ja die Arbeitsverfassung den Lohnfonds ersetzt! Das Kapital ist
dennoch vorhanden; es ist nur mit der Arbeit verbunden, und heide
müssen zusammen dem Gutsherrn, dem Unternehmer, zu Gebote
gestellt werden. Hieran hat sich bis zu der großen Umwandlung
der Bauernbefreiung wenig geändert. Knapp hat die Gründe
und die einzelnen Phasen, wie dieser Halbkapitalismus zum Voll-
kapitalismus geworden ist, dargelegt: Der kapitalhaltende Bauer
wurde zum Landarbeiter, und in einer weiteren Stufe trat dem
ständigen Landarbeiter die reguläre Reservearmee der Arbeit
zur Seite; die landwirtschaftliche Unternehmung rüstete sich
vollständig mit dem Kapital aus — mußte sich vielfach gezwungen
damit ausrüsten; denn noch scheint es bis zum heutigen Tage, als
ob der landwirtschaftliche Großbetrieb die Haltung des Spann-
viehs als eine Last empfinde und sie nacli Möglichkeit einzuschrän-
ken suche trotz der andauernden Preissteigerung aller tierischen
Produkte. Jedenfalls war früher die Abwälzung als solche einVor-
teil für den Unternehmer gewesen, und ihre Schattenseiten hatten
nur darin bestanden, daß sie einen Verzicht auf die Ausdehnung
 
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