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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0032
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32

E. Gothein:

oben in einer ganzen Kette von Verschiebungen weitergegeben.

Besonders eigentümlich sind die Verbältnisse in der Schuh-
industrie geartet. Die vollkommensten Maschinen, namentlich
die sogenannten Zwickmaschinen, eine amerikanische Erfindung,
bleiben Eigentum des amerikanischen Trusts und sind durch
dessen Patente geschützt. Er verkauft sie nicht, sondern ver-
stellt sie nur gegen Vorbehalt des Eigentums. So können gerade
unsere größten Schulifabriken nur einen Teil ihrer maschinellen
Einrichtung ihr eigen nennen. Der Trust hat es in der Hand,
Ausdehnung und Ausbreitung der Industrie zu kontrollieren.
Während im ganzen die Ivonzentrationsbewegung in der Schuh-
industrie enorm fortschreitet, hält der Trust doch so viel Konkur-
renz aufrecht oder ruft sie wohl gar hervor, als ihm für Beschäf-
tigung seines großen Maschinenkapitals wünschenswert ist. Die
Schuhfabrikanten empfinden diese Abhängigkeit auch stark, ob-
wohl der Trust nicht gerade bis zu jener Nutzengrenze geht, bei der
es ihm möglich wäre, fast den ganzen Nutzen der Produktions-
erhöhung zu verschlingen. Andrerseits betonen sie doch auch die
Erleichterung, die ihnen diese Kapitalentlastung gewährt, nament-
lich auch die Möglichkeit, immer wieder Maschinen ver-
besserter Konstruktion gegen etwas erhöhte Miete erhalten zu
können. Die alten werden zurückgegeben und wandern wohl in
die kleinen Fabriken, die Bauernwaren herstellen.

Hier liegt also ein Verhältnis vor, das die Rollenverteilung der
Lohnindustrie umkehrt. Juristisch handelte es sich dort um einen
Werkvertrag, hier um Sachmiete. Dort ging die Ware des Fabri-
kanten zum Kapital, hier wandert das Ivapital in die Werkstatt des
Fabrikanten; immer aber bleibt es fremdes Kapital. Wirtschaftlich
wird meistens clie Werkmiete ungünstiger als die Sachmiete ge-
stellt sein, da das Risiko größer ist.

Wenn man die einzelnen Industrien auf die Art der Kapital-
beschaffung hin mustert, wird man je nach der Eigenart ihrer
Technik und ihres Absatzes mancherlei Nuancen finden; auffallend
aber ist, daß sich auch in der Entwicklung cles Handels, wo
doch überwiegend variables Ivapital in Frage kommt, die Ab-
schiebung der Kapitalhaltung eine Rolle spielt. Nur wird es sich
dort zugleiclr meistens um eine Verflechtung mit Kreditoperationen
handeln. Nur bleibt der wesentliche Unterschied bestehen, daß
in einem reinen Kreditverhältnis der Kreditgeber ganz ausser-
halb des Produktionsprozesses stehen bleibt, in dem Falle, der
 
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